Naturidylle in der Großstadt 3

Ländlicher Lebensgenuß: Das Bild des Hirten in römischer Deutung

Die Darstellung des einfachen Landlebens in einer sakralen Atmosphäre ist auch in der römischen Kunst geläufig. In Malerei und Relief werden häufig sakralidyllische Landschaften abgebildet, in denen der Hirte seine Herde an einem verlassenen Landheiligtum weiden läßt oder auf dem Weg zum Opfer gezeigt ist. Diese Glückseligkeit des Landlebens war dem Hellenismus noch fremd.
Es ist aber fraglich, ob die Hirtenskulpturen in den horti und Villen eine derartige Sakralidylle inszenieren sollten. Soweit nämlich die Aufstellungskontexte von Fischer- und Hirtenskulpturen bekannt sind, waren sie nicht in freier Natur, sondern zwischen den Säulen der Peristyle aufgestellt, aus denen sie in schnellem Schritt hervorzueilen schienen. Damit bezeichneten sie dort eher die eilfertigen Bediensteten der Villa, wenngleich nur im übertragenen Sinn. Denn tatsächlich erhielten die Fischer und Landleute, die für den Unterhalt der Villen sorgten, ebenso schwer Zutritt zum Peristyl wie die Schweine und Kühe, die dort als Statuenschmuck ebenfalls belegt sind. Als Teil der Skulpturenausstattung verdeutlichen sie aber nicht nur den fürstlichen Lebensstil des Villenbesitzers. Inmitten der luxuriösen Architektur gemahnen sie zudem an die frugalen Genüsse des bäuerlichen Lebens nach alter Väter Sitte. Ob die herangetragenen Erzeugnisse die agrarische Grundlage des Villenlebens symbolisierten oder ebenfalls – wie in den hellenistischen Heiligtümern – als Festschmaus verstanden wurden, sei dahingestellt.

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