Jungen und Mädchen

Kinder und Erwachsene

Kinder wurden in der Antike auf ihre Rollen als Erwachsene vorbereitet. Deshalb ähneln Porträts von Jungen den Bildnissen von Männern. Porträts von Mädchen ähneln dagegen den Bildnissen von Frauen.

Die beiden Reihen zeigen übereinandergestellt ein Kinderporträt und ein Erwachsenenporträt aus der jeweils selben Epoche.

− Der noch kindliche Prinz aus der Familie des Augustus sieht dem Kaiser so ähnlich, dass man früher überlegte, in diesem Porträt Augustus als Kind zu erkennen. Doch es muss sich um einen seiner Enkel handeln.
− Ein Knabe aus der Zeit Trajans ahmt nicht nur die Haartracht des Kaisers nach; die Ähnlichkeit geht bis in die Form und den Ausdruck des Gesichtes.
− Der in kindlichem Alter zum Kaiser erhobene Elagabal sieht aus wie eine jüngere Ausgabe seines Vorgängers Caracalla − mit Absicht, denn seine Familie behauptete, er sei dessen unehelicher Sohn.

Mädchenfrisuren sind hingegen an Frauenfrisuren angelehnt.  

− Das Porträt eines Mädchens in Berlin zeigt eine ähnliche Frisur wie Kleopatra VII. Die Haare sind durch viele parallele Scheitel geteilt und dazwischen zu Strängen zusammengedreht. Diese Frisur kam in der Kaiserzeit vereinzelt auch bei erwachsenen Frauen vor. Doch besonders beliebt blieb sie als Mädchenfrisur − wahrscheinlich, weil sie sich nicht leicht wieder auflöste.
− Das Porträt eines Mädchens mit Mittelscheitelfrisur in Boston folgt der Frisurenmode in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. Eine ähnliche Frisur mit Mittelscheitel und Ringellöckchen trägt eine der Prinzessinnen des Kaiserhauses. Das Mädchenporträt hat zusätzlich einen Zopf über dem Scheitel, eine spezielle Kindermode.
− Das Mädchen vom Palatin hat offenbar noch zu kurze Haare für eine der im 2. Jahrhundert n. Chr. üblichen Frauenfrisuren. Doch ihr Gesicht ähnelt sehr den Porträts der Faustina minor. Das Bildnis des Mädchens wurde auf dem Palatin in Rom gefunden, wo der Palast der römischen Kaiser stand. Darum könnte es ein Mitglied der kaiserlichen Familie darstellen.
Die meisten antiken Kinderporträts ahmen nicht nur die Moden der Erwachsenen nach, sondern sie zeigen auch einen ähnlichen Gesichtsausdruck wie ihre erwachsenen Zeitgenossen. Oft wirkt ihr Gesicht auch traurig. Dies könnte den Grund haben, dass viele Porträts zur Erinnerung an früh verstorbene Kinder aufgestellt wurden.  

Spielende Kinder

 Antike Darstellungen von Kindern zeigen sie häufig beim Spielen, Erwachsene dagegen nicht. In der Antike spielten die Kinder mit Nüssen, Steinen und Knöchelchen, alles Spielgeräte, die sie zuhause und in der Natur vorfanden.

Besonders das Spiel mit Walnüssen war im Winter beliebt. Davon zeugen zahlreiche antike Schriftquellen, in denen mehrere Spiele beschrieben werden. Daneben sind uns auch viele antike Darstellungen überliefert, die Kinder beim Nüssespiel zeigen. Eine solche Darstellung ist der nusswerfende Knabe, der in römischer Zeit häufig kopiert wurde: Der Junge steht gebeugt in Schrittstellung, in der gespannten Haltung des Wurfes. Mitspieler sind nicht dargestellt; auch das Ziel des Wurfes ist nicht eindeutig belegt.

Der nusswerfende Knabe verkörpert in seiner Konzentration auf das Spiel, in Anmut und in der Spannung der Bewegung „Kindheit“ schlechthin. In der antiken Literatur meint der Ausdruck „nucibus relinquere“ (= „die Nüsse zurücklassen“) soviel wie „erwachsen werden“.   In antiken Gedichten und Darstellungen ist das Nüssespiel so genau beschrieben, dass man sogar die Spielregeln einiger Nussspiele kennt. Hierzu gehört auch das Spiel, das der nusswerfende Knabe zu spielen scheint. zu den Spielregeln   Die Figur eines Mädchens sitzt hingegen auf dem Boden und würfelt mit Knöcheln. Dieses Spiel war freilich auch bei Erwachsenen beliebt, wird aber gern an Kinderbildnissen gezeigt. Die Figur in der Göttinger Sammlung hat zwar einen neuzeitlich ergänzten Kopf, andere Exemplare zeigen aber Porträts von Mädchen. Solche Statuen standen in römischen Häusern, wo sie die angenehmen Seiten des Kinderlebens im Bild festhielten. Sie wurden aber auch auf Gräbern errichtet, um die trauernden Eltern an die fröhlichen Spiele ihres Kindes zu erinnern. zu den Spielregeln

In diesem Kapitel hast du gelesen, wie Jungen und Mädchen in der Antike dargestellt wurden. Überlege dir, wodurch man sie im Porträt als Kinder kennzeichnete. Begründe dein Ergebnis an einem Beispielporträt.

 Sammlung E-learning Quellen Literatur
 Caracalla
Trajan Augustus Kleopatra VII
 Anita Rieche: Römische Kinder- und Gesellschaftsspiele. Limesmuseum Aalen, 1984 Marion Mannsperger: Frisurenkunst und Kunstfrisur. Die Haarmode der römischen Kaiserinnen von Livia bis Sabina. Habelt, Bonn, 1998