Christus als Lehrer & Herrscher

Seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. trat die christliche Bilderwelt die Nachfolge der antiken Bilderwelt an. Das Bild von Christus als dem „Lehrer der wahren Philosophie“ wurde nach dem Vorbild der herkömmlichen Philosophenbildnisse entworfen. So verstanden auch Menschen, die die neue Religion noch nicht kannten, die Botschaft des Bildes.  

Davon zeugt ein christliches Elfenbeindiptychon: Christus und die Apostel, die ihn begleiten, sind wie antike Gelehrte mit griechischem Mantel und Untergewand sowie einer Buchrolle in den Händen dargestellt. Der Bart macht das Christusbild den altvertrauten Philosophenbildnissen noch ähnlicher.  

Die Anordnung der Figuren setzt Rangunterschiede ins Bild: Christus thront im Vordergrund; die Apostel stehen weitgehend verdeckt hinter seinen Schultern. Christus als Lehrer gebührt diese Position. Die Buchrolle und die gestikulierend erhobene Hand Christi deuten an, dass er seine Lehre gerade vorträgt; die Apostel lauschen respektvoll.  

Diese Christusdarstellung erinnert also einerseits an herkömmliche Bilder weiser Männer. Andererseits dachten antike Betrachter aber wohl auch an Bilder der Staatskunst, denn Herrscher und Beamte wurden ganz ähnlich dargestellt. Das Bildschema des frontal zum Betrachter sitzenden Beamten zeigt ein Elfenbeindiptychon des Vikars Rufius Probianus: Wie Christus auf einem Thron sitzend von seinen Aposteln umgeben ist, so ist auch der hohe römische Beamte von seinen Untergebenen umgeben. Statt mit den Büchern der Weisheit hantieren sie zwar mit den Dokumenten ihres Amtes, doch im Bild sieht beides gleich aus.  

Die Anlehnung von Christusdarstellungen an Philosophenbildnisse und Bildnisse hoher Würdenträger des Staates ist wohl so zu verstehen, dass Christus sowohl in der Rolle des Lehrers als auch in der Rolle des Herrschers gesehen werden soll.

Versetz dich in die Rolle eines Bildhauers, der einen Entwurf für ein christliches Elfenbeindiptychon liefern soll. Notiere die Merkmale, die für die Christusdarstellungen dieser Zeit bezeichnend waren und daher in deinem Entwurf nicht fehlen dürfen.

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   Paul Zanker: Die Maske des Sokrates. Das Bild des Intellektuellen in der antiken Kunst. Beck, München, 1995