Dichter

Wissen wurde in der Antike lange Zeit nur mündlich von einer Generation zur nächsten weitergegeben. In Erzählungen und vor allem Dichtungen, die als Gesang vorgetragen wurden, formte sich ein Bild der Welt: Geschichten von Göttern und Helden einer mythischen Vergangenheit prägten die Vorstellungen von Religion und Geschichte. Sie gaben außerdem Beispiele für richtiges und gottgefälliges oder falsches und frevelhaftes Verhalten von Menschen.

Weil die traditionelle Weisheit in Gedichten übermittelt wurde, verehrte man Dichter als g Sänger. Homer war der erste und wichtigste griechische Dichter. Noch in späteren Zeiten führten Städte voller Stolz ihre Gründung und frühe Geschichte auf die Helden zurück, die in Homers Werken Ilias und Odyssee auftraten.

Die Bewährungsproben seiner Helden in Krieg und Frieden gaben zugleich reichen Stoff zum Nachdenken darüber, wie sich Menschen richtig verhalten sollten; sogar die Grundlagen für die späteren Naturwissenschaften sah man in Homers Versen.   Homers Bildnisse entstanden aus der Phantasie von Künstlern, die lange nach ihm lebten. Verschiedene Porträts zeigen ihn als blinden alten Mann. Er scheint seiner inneren Stimme zu lauschen und die Geschehnisse, die er in seiner Dichtung behandelt, in seiner Phantasie zu schauen. Diese besondere Gabe schrieb man in der Antike Blinden zu, deren göttlich inspirierte Visionen von keinen äußeren Eindrücken gestört werden konnten. Die Bildnisse Homers entsprechen dieser Vorstellung vom „blinden Seher“.

In der Antike galt jede Art von geistiger Tätigkeit als göttliche Gabe, die v.a. von den Musen vermittelt wurde. Darum wurden antike Dichter oft zusammen mit Musen dargestellt. Ein Beispiel für diese Art der Darstellung ist das Menander-Relief: Hier wird Menander heroisiert und mit nacktem Oberkörper zusammen mit Muse und Schauspielermaske bei seiner geistigen Arbeit, also beim Dichten einer Komödie dargestellt. Dafür stehen im Bild Theatermaske und Muse, außerdem die Weihgeschenke für die Musen und die Schriftrolle. Die im Relief dargestellte Muse kommt aus einem Tempel, wohl einem „Mouseion„.

Als Bereich der Musen war das Mouseion − das später namengebend für unser Museum wurde − ein Ort wissenschaftlicher und dichterischer Tätigkeit. Diese Musenheiligtümer gehörten zum Musenkult, so dass sich um manch ein Mouseion als Zentrum Schulen bildeten. Dort wurde geforscht und gelehrt; sie sind mit heutigen Universitäten vergleichbar.

Der Kult der Musen konnte mit dem Kult besonders verehrter Dichter verbunden werden. Dies verdeutlicht ein Relief, welches die Apotheose des Dichters Homer wiedergibt − eine Ehrung Homers durch Götter und Personifikationen, die durch Beischriften benannt sind. Homer thront hier im untersten Bildabschnitt; neben ihm kauern u.a. die Personifikationen von Ilias und Odyssee. Ein Opferaltar im Bild weist darauf hin, dass Homer wegen seiner Dichtkunst göttliche Verehrung genoss. Im oberen Bereich des Reliefs erhebt sich eine Berglandschaft, auf deren Spitze Zeus thront; weiter unten steht Apollon mit der Leier. Die beiden Götter sind von Musen umgeben; die Musen werden von ihrer Mutter Mnemosyne, die vor Zeus steht, angeführt.

Du gibst einem antiken Bildhauer den Auftrag, ein Porträt des Dichters Homer herzustellen. Schreibe dem Künstler auf, welche Merkmale das Porträt auf jeden Fall aufweisen muss, damit es sofort als Dichterporträt zu erkennen ist.

Sammlung E-learning Quellen Literatur
 Menander Homer Tonio Hölscher: Klassische Archäologie Grundwissen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2002, S. 243f.