Bildnisse von Zeitgenossen

Alexander war der erste Mann seit langer Zeit, der als Erwachsener ohne Bart dargestellt wurde. Diese Mode verbreitete sich schnell unter Bewunderern des Makedonenkönigs in den Ländern rings um das Mittelmeer. Doch Porträts von Philosophen, Rednern und Politikern zeigen, dass sich diese Mode nicht überall durchsetzte. Als Zeichen für Alter und Würde waren Bärte bei erwachsenen Männern noch lange üblich.

Der Philosoph Aristoteles wurde 342 v. Chr. von Philipp II zum Erzieher des jungen Prinzen Alexander berufen und blieb auch später dessen Vertrauter. Nach Alexanders Thronbesteigung (334 v. Chr.) ging Aristoteles zurück nach Athen und gründete dort eine eigene philosophische Schule.   Sein Porträt zeigt Aristoteles als reifen Mann mit Falten auf Stirn und Wangen. Haar und Bart sind in kurze Strähnen frisiert; nur einige Fransen schütteren Haares fallen in die Stirn. Der Gesichtsausdruck ist entspannt und heiter; um den Mund herum spielt der charakteristische spöttische Zug. Als Philosoph entspricht Aristoteles den Vorstellungen, die man sich in seiner Zeit von einem würdigen älteren Mann machte. Dazu gehört auch sein Bart.

Individuelle Z sind nur sehr zurückhaltend in dieses Idealbild eingegangen, denn eine Darstellung als vorbildlicher Philosoph vertrug sich nicht mit zufälligen persönlichen Eigenheiten.  

Die unterschiedliche Darstellung von Alexander und Aristoteles entspricht ihren unterschiedlichen Rollenbildern: Hier der jugendliche Kriegsheld und König, dort der weise Lehrer und Philosoph. Ähnliche Unterschiede lassen sich am Grabrelief eines jungen Mannes aus Athen beobachten. Die Gegenüberstellung eines alten mit einem jungen Mann führt den Betrachtern hier ein grausames Schicksal vor Augen. Denn der alte Vater musste seinen jungen Sohn begraben, statt im Alter von ihm unterstützt zu werden.  

Wie beim Paar von Vater und Sohn sind bei Aristoteles und Alexander die unterschiedlichen Aufgaben und Rollenbilder von Männern verschiedenen Alters ein Thema ihrer Darstellungen.

Die politischen Führer unter den Zeitgenossen Alexanders in Athen blieben dem traditionellen Bild des attischen Bürgers verpflichtet.   Aischines lebte von etwa 389-314 v. Chr. in Athen. Der Redner und Politiker war Anhänger Philipps II von Makedonien und Fürsprecher der makedonischen Politik in Athen. Dies machte ihn zum Gegner des Demosthenes, der eine makedonische Vorherrschaft über Hellas nicht hinnehmen wollte, und der mit Hilfe seiner Partei versuchte, Philipps Eroberungen aufzuhalten. Die Statue zeigt den Redner mit Chiton und Mantel bekleidet in selbstbewusster Pose. Aischines präsentiert sich in diesem Bildnis als vorbildlicher Bürger Athens. Seine heitere Miene und seine ruhige Pose erinnern daran, dass es für einen Redner selbst in heftigen Auseinandersetzungen als würdelos galt, allzu sehr zu gestikulieren oder übermäßig das Gesicht zu verziehen: Aischines vertraut anscheinend so sehr auf die Kraft seiner Worte, dass er seine Hände im Mantel eingewickelt lassen kann.  

Der Redner und Politiker Demosthenes ist nur mit einem Mantel bekleidet, was als Zeichen für seine Abkehr vom bequemen Leben gedeutet werden kann. Sonst werden nämlich nur die Philosophen, die ein einfaches Leben predigten, so dargestellt. Er blickt mit gesenktem Kopf und zusammengezogenen Brauen vor sich hin. Ungewöhnlich ist die Darstellung seiner verschränkten Hände. Die Statue entstand erst lange nach dem Tod des Demosthenes.   Das Original in Athen war mit einer Inschrift auf dem Sockel versehen, in der das Scheitern des Demosthenes im Kampf gegen die makedonische Vorherrschaft erwähnt wird, aber auch seine nicht nachlassende Entschlossenheit in diesem Kampf. Sein gespannter Gesichtsausdruck und die gefalteten Hände sind wohl ein Ausdruck dieses letztlich erfolglosen Ringens um athenische Unabhängigkeit.   Als Gegner Alexanders folgt Demosthenes selbstverständlich nicht der Mode, sich den Bart zu rasieren. Doch mit seiner ausdrucksvollen Mimik und Gestik kommt sein Bildnis den Porträts Alexanders näher als die Bildnisse anderer athenischer Bürger. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in der Entstehungszeit des Porträts ausdrucksvolle Züge bei Bildnissen nicht mehr so ungewöhnlich waren, wie in der Lebenszeit von Alexander und Demosthenes.

Der Dichter Menander ist einer der Zeitgenossen Alexanders, die sich der Mode anschlossen, als erwachsene Männer mit glattrasiertem Gesicht aufzutreten. Als Dichter von Komödien interessierte sich Menander wenig für Politik. Sein Thema sind die komischen Seiten des Alltagslebens in Athen, die er als einer der ersten auf die Bühne brachte. Als Mann, der seine Zeitgenossen genau beobachtete, war er offensichtlich für neue Moden aufgeschlossen und wird auch in seinem Bildnis als modisch frisierter und elegant gekleideter Mann gezeigt.

Stell dir vor, du bist ein antiker Bildhauer zur Zeit Alexanders d. Großen. Du bekommst den Auftrag, das Bildnis eines Philosophen anzufertigen. Fertige eine Skizze des Porträts an. Orientiere dich dabei an den Bildnissen im Kapitel!

Sammlung E-learning Quellen Literatur
DemosthenesAlexander d. Gr. Philipp II
Aristoteles Aischines Demosthenes Menander  
Die Zeit Alexanders d. Gr.
 Tonio Hölscher: Ideal und Wirklichkeit in den Bildnissen Alexanders des Großen. Universitätsverlag Winter, Heidelberg, 1971

Tonio Hölscher: Klassische Archäologie Grundwissen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 2002, S. 237ff. Gisela M.A. Richter: The Portraits Of The Greeks. Abridged edition. Phaidon Press Limited, Oxford, 1984