Griechische Porträts: Skulpturen und Münzen

Alexander d.Gr. war der erste König des griechischen Kulturraums, dessen Bildnis auf Münzen erschien. Danach dauerte es noch eine Weile, bis sich diese Neuerung verbreitete; sie setzte sich aber nicht überall durch. In einigen hellenistischen Reichen der Nachfolger Alexanders gab es keine regelmäßige Münzprägung mit dem Porträt des jeweils regierenden Herrschers. Viele Herrscher hellenistischer Zeit kennen wir darum nicht im Münzporträt.

Andererseits sind auch Porträts hellenistischer Könige in anderen Gattungen verhältnismäßig selten erhalten. Bildnisse, die denselben Herrscher darstellen, können sich sehr voneinander unterscheiden; Münzbilder und Porträts in anderen Gattungen folgen offenbar einer Vielzahl divergierender Entwürfe. Ein Beispiel dafür sind die verschiedenen Bildnisse Alexanders d.Gr.

Großformatige Porträtskulpturen hellenistischer Herrscher muss es nach historischen Quellen zahlreich gegeben haben. Als Material wurde offenbar Bronze bevorzugt, deshalb sind nur wenige erhalten. Die überlieferten Porträts in anderen Materialien sind oft von bescheidener handwerklicher Qualität. Münzen, deren Prägung der Kontrolle der Herrscher unterlag, sind wohl meist die besseren Zeugnisse für das Bild, das ein Herrscher von sich oder von seinen Angehörigen verbreiten wollte.

Münzen mit dem Bildnis des Ptolemaios I (283−246 v.Chr.) wurden während des gesamten Zeitraums geprägt, in dem die von ihm begründete Dynastie in Ägypten herrschte. Der Vergleich mit Münzbildern führte zur Benennung eines Porträts in Kopenhagen als Ptolemaios I, eine Identifikation, die in der archäologischen Literatur heute nicht umstritten ist.

Der Vergleich von Münzbild und Porträtskulptur lässt einige Gemeinsamkeiten erkennen: die kräftig vorgewölbte untere Stirnhälfte, die kugeligen Augäpfel in tiefen Höhlen, und die schmale, geschwungene Oberlippe. Es gibt aber auch Unterschiede. Vom Münzbild abweichend sind die Einziehung der Nase am Ansatz und der rund gebogene Nasenrücken. Das Gesichtsrelief kommt ohne die starken Wölbungen des Münzporträts aus, vielmehr sind alle fleischigen Formen ausgesprochen knapp modelliert.

Durch die Eigenarten des Stils fallen am Kopf in Kopenhagen die Polster unter den äußeren Enden der Brauen kaum auf, die sonst zu den Charakteristika der Bildnisse des Ptolemaios I gehören. In Münzbildern sind sie ebenso ausgeprägt wie an einem silbernen Reliefbildnis des Königs in Hildesheim.

Es sind keine weiteren rundplastischen Repliken bekannt, die auf dasselbe Vorbild zurückzuführen sind wie das Porträt in Kopenhagen. Es stellt sich die Frage, ob die Übereinstimmungen oder die Abweichungen zwischen Skulptur und Münzbild höher zu bewerten sind. Bei dieser Abwägung entschied sich die Mehrheit der Spezialisten dafür, die Übereinstimmungen so hoch zu bewerten, dass eine Benennung des Kopfes als Ptolemaios I vertreten werden kann. Doch muss man sich bewusst halten, dass die methodische Basis der Benennung nicht so sicher ist, wie man es sich wünschen würde.

Ein Bronzeporträt aus der Villa dei Papiri in Neapel ist am Herrscherdiadem als Bildnis eines hellenistischen Königs zu erkennen. Die ungeschönten, massigen Gesichtszüge dieses Porträts mit dünnen Lippen, vorspringendem Kinn und vertikal gefurchten Wangen ähneln Münzporträts des Seleukos I so sehr, dass die Benennung auf den Gründer der seleukidischen Dynastie weithin akzeptiert wird. Auch hier kann kein Vergleich mit anderen rundplastischen Porträts des Königs den Eindruck, den dieser Kopf macht, relativieren. Seleukidische Herrscherporträts sind heute extrem rar, weniger als zehn Exemplare konnten identifiziert werden.

Die wenigen erhaltenen Porträts hellenistischer Herrscher lassen bereits eine große ikonographische Vielfalt erkennen. Wegen der großen Lücken in der Überlieferung ist nicht zu überblicken, welche verschiedenen Möglichkeiten für die Gestaltung der Porträts eines Königs jeweils bestanden. Das schränkt die Möglichkeiten der Porträtforschung stark ein. In der Praxis müssen häufig Münzbilder mit einzelnen Porträts anderer Gattungen verglichen werden, wie bei den hier gezeigten Beispielen. Da die Künstler in der Ausführung einen beachtlichen Gestaltungsspielraum hatten, entfällt bei einzelnen Exemplaren ohne Repliken die Möglichkeit, spezielle Eigenarten des einzelnen Werkes von typologisch relevanten Zügen sicher zu unterscheiden.

Doch darf die heutige Situation nicht zu dem Schluss verleiten, dass die Produktion hellenistischer Herrscherbildnisse regellos oder völlig frei von typologischen Bindungen war. Einzelfälle lassen erkennen, dass es Entwürfe gab, die als Vorbild für Serien von Porträts dienten. Ihre Verbreitung war also ähnlich organisiert wie bei den viel zahlreicher erhaltenen römischen Kaiserporträts − zumindest in bestimmten Zeiten und in bestimmten Reichen.

Ein Beispiel für eine typologische Übereinstimmung von Münzbildnis und rundplastischem Porträt stellen die Porträts des Ptolemaios VI dar. Ein Porträt des Königs in Alexandria stimmt in allen Zügen mit seinen Münzporträts überein: die Anlage der Haare, die langgestreckten Formen von Kinn und Wangen und der lange Hals. Diese Übereinstimmungen sind nur durch ein zugrundeliegendes gemeinsames Vorbild zu erklären.

Leider erlaubt es die Überlieferungslage nicht, genauer zu bestimmen, wann und von wem die Gestaltung der Königsbildnisse mittels fester Typen, die kopiert wurden, eingeführt wurde. Sicher ist aber immerhin, dass in der römischen Kaiserzeit an bestehende Erfahrungen angeknüpft werden konnte.

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