Römische Porträts: Skulpturen und Münzen

In Rom verhinderten die Regeln der Republik lange, dass Porträts von Zeitgenossen auf Münzen geprägt wurden. Caesar war der erste lebende Politiker, dessen Bildnis auf Münzen gesetzt wurde. Octavian, der spätere Kaiser Augustus, knüpfte mit seinen Münzporträts an diese Vorgabe an. Damit waren die Weichen für die gesamte römische Kaiserzeit gestellt: Alle römischen Kaiser ließen ihre Porträts auf Münzen setzen. Zugleich wurden rundplastische Kaiserbildnisse an zahlreichen Orten aufgestellt, viele Marmorporträts sind erhalten. So sind die Voraussetzungen für einen systematischen Vergleich von Porträtskulpturen und Münzen gegeben.

In der römischen Kaiserzeit wurden Porträts der Angehörigen von Herrscherfamilien nicht als Einzelwerke hergestellt. Wie zahlreiche Untersuchungen an Porträtskulpturen und Münzbildnissen ergeben haben, gab es feste Porträttypen, die Bildhauern und Münzstempelschneidern eine verbindliche Vorlage lieferten.

Für einen Vergleich mit Münzen kommen nur solche Porträts infrage, die in mehreren Kopien nach einem gemeinsamen Vorbild überliefert sind. Denn nur diese Porträts gehören sicher zu einem offiziellen Porträttypus. Und nur solche Porträttypen wurden in den Prägestätten, die unter kaiserlicher Kontrolle standen, auf Münzen geprägt.

Ein Vergleich mit Münzen der Reichsprägung zeigt, welche der provinziellen Prägungen ebenfalls offizielle Porträttypen wiedergeben. Qualitätvolle Exemplare können sogar mehr Details zeigen als Münzen der Reichsprägung − ein wichtiger Aspekt, weil im kleinen Format von Münzbildern notwendigerweise eine Auswahl aus dem Motivbestand der großplastischen Vorbilder getroffen werden muss. Darum lohnt sich in einigen Fällen eine Sichtung des gesamten Münzmaterials für die Porträtforschung.

Ein Musterbeispiel für die detailreiche Wiedergabe eines offiziellen Porträttypus auf Münzen liefern goldene Kistophoren, eine lokale Prägung von Pergamon, mit dem Kopf des Augustus. Das Bild folgt dem Haupttypus des Augustusporträts, der besonders gut vom Kopf der Augustusstatue von Primaporta repräsentiert wird.

Der Vergleich zeigt, dass das Münzbild sehr genau die Gesichtszüge des Kaisers wiedergibt. Auch die Motive der Frisur sind Locke für Locke nachzuverfolgen. Ein markantes Merkmal der Frisur des Augustus ist das Haarbüschel in der Stirnmitte, wo die Strähnen ein großes Zangenmotiv bilden. An rundplastischen Repliken ist dieses Motiv am besten in der Vorderansicht zu erkennen; bei einer Ansicht von der Seite fällt es kaum auf. Doch im Münzbild ist das Motiv auch klar zu erkennen, denn es wurde aus der Vorderansicht ins Profil übertragen. Das beweist, dass sich auch der Stempelschneider dieser Münzen am rundplastischen Entwurf orientierte und dessen Formen für ein Flachrelief adaptierte.

Die Umsetzung von Entwürfen in verschiedene Medien geschah also nicht schematisch, sondern machte Anpassungen nötig. Die Porträtforschung muss darauf Rücksicht nehmen und Vorschläge zur Verbindung von Porträts in Skulptur und Münzbild argumentativ genau begründen. Die Schwierigkeit besteht jeweils darin, zu bestimmen, welche Variationen noch im Rahmen eines gegebenen Typus bleiben und welche so weit gehen, dass sie einen eigenen Typus konstituieren. Mit der nebenstehenden interaktiven Übung soll am Beispiel des Augustusporträts ein Eindruck davon vermittelt werden, welche Spielräume nach Dokumentation der Befunde für die Interpretation bleiben.

Die Identifizierung von Kaiserporträts mithilfe von Münzporträts macht es nicht nur möglich, Porträts aller römischen Kaiser kennenzulernen. Bei mehreren Kaisern kann darüber hinaus die Abfolge ihrer Porträttypen an Münzen nachverfolgt werden. Weil auf römischen Münzen die Titulatur der Kaiser mit der Zählung der Regierungsjahre verzeichnet ist, lässt sich die Entstehungszeit eines neuen Porträttypus entsprechend der Zeit seines ersten Erscheinens auf Münzen eingrenzen. Näheres Dazu findet sich im Kapitel zu mehreren Porträttypen eines Kaisers. Diese komfortable Überlieferungslage gibt der Erforschung von Porträts der römischen Kaiserzeit eine sichere Grundlage.

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