Umarbeitungen von Porträts: Technische Probleme und die Qualität der Ergebnisse

Bronze- und Marmorstatuen waren wertvoll. Deshalb ist es verständlich, dass man Statuen nicht gleich vernichtete, wenn sie ihren Zweck nicht mehr erfüllten. Für eine solche Situation konnte es verschiedene Gründe geben:  
− Eine Statue, die entstanden war, um einem Herrscher Ehre zu erweisen, war nach dessen Sturz, Ermordung und Ächtung nicht mehr öffentlich vorzeigbar.  
− Ehrenstatuen wurden in geradezu inflationären Mengen aufgestellt. So geschah es oft, dass ein Bildnis einem Nachfolger Platz machen musste, sobald der Geehrte oder seine Verdienste, die zur Ehrung führten, vergessen waren.  
− Ein neuer Eigentümer eines mit Skulpturen ausgestatteten Anwesens teilte die Vorlieben seines Vorgängers nicht.  
− Eine veränderte Nutzung machte Änderungen am Skulpturenschmuck nötig, weil die vorhandenen Darstellungen nicht mehr passten.  

In solchen Fällen wählte man häufig die Umarbeitung als schnellsten und sparsamsten Weg, eine Skulptur den neuen Erfordernissen anzupassen. Bei Porträtstatuen, deren Kopf nicht mehr genehm war, wurde eine Umwidmung dadurch erleichtert, dass Porträtköpfe vielfach separat gearbeitet und in die Statue eingesetzt waren. So konnte man den Kopf leicht gegen einen neuen austauschen. Aber selbst diesen Aufwand ersparte sich, wer einen vorhandenen Kopf so umänderte, dass das ursprüngliche Porträt durch ein neues ersetzt wurde.  

Bei Bronzebildnissen konnte das neue Porträt hergestellt werden, indem man das Material einfach einschmolz und in eine neue Form goss. Bei Marmorporträts war das nicht möglich. Eine Umarbeitung musste von der vorhandenen Form ausgehen. Da ein Bildhauer nur Material wegnehmen konnte, hatte die Gestaltung der neuen Gesichtszüge und Frisur eine Verringerung des Volumens zur Folge. Wenn die vorhandene Substanz nicht ausreichte, musste notfalls angestückt werden.  

Die Überarbeitung eines Marmorbildnisses hinterläßt Spuren, die bis heute sichtbar sind:  
− Der Kopf verändert seine Proportionen: Das Gesicht wird im Verhältnis zu Oberkopf, Hals und Körper zu klein.  
− Die Einzelformen werden von der ursprünglichen Oberfläche aus tiefer in den Kopf eingearbeitet: Augen liegen tiefer im Kopf, Kinnformen werden durch Eintiefen der Zone zwischen Mund und Kinn verändert.  
− Eine charakteristische Problemzone sind die Ohren. Sie lassen sich nicht auf das tiefere Niveau zurückarbeiten, weil dafür meist nicht genug Material zur Verfügung steht. Deshalb werden sie entweder ganz abgearbeitet und durch angestückte Ohren ersetzt, oder die Ränder der Ohrmuscheln werden beschnitten. Die Proportionen von Zentrum und dem Rand des Ohres passen dann nicht mehr zusammen. Ein erster Verdacht auf Umarbeitung ist immer dann angebracht, wenn ein Kopf auffällig abstehende Ohren hat.  
− Wo die Überarbeitung endet, entstehen entweder Stufen oder unklare Übergangszonen von der alten zur neuen Oberfläche. Häufig sind diese Stellen am Hals oder am Hinterkopf, wenn sich der Bildhauer nicht die Mühe machte, auch die Rückseite zu überarbeiten, weil sie in der geplanten Aufstellung ohnehin nicht sichtbar war.

Das neue Gesicht des Poseidipp

Eine Kombination dieser verräterischen Spuren führte dazu, dass einer Statue in den Vatikanischen Museen ihr ursprüngliches Gesicht wiedergegeben werden konnte.  

Diese Statue eines sitzenden Mannes trägt auf der Plinthe eine Inschrift, die dem Dargestellten den Namen Poseidippos gibt. Damit ist wohl der griechische Komödiendichter des 3. Jahrhunderts v.Chr. gemeint.  

Allerdings löste der fest mit der Statue verbundene Porträtkopf Zweifel aus, ob es sich wirklich um ein Porträt der hellenistischen Zeit handeln könne. Diese Zweifel führten Klaus Fittschen zu einer gründlichen Untersuchung des Befundes, die deutliche Anzeichen einer Überarbeitung zutage brachte.  

Dabei zeigte sich, dass die Statue an verschiedenen Stellen verändert ist. Die Sandalen, die ursprünglich dargestellt waren, wurden zu den geschlossenen Schuhen eines römischen Patriziers umgearbeitet. Weil für die Lederriemen, die zu diesem Schuhwerk gehören, nicht genug Marmor vorhanden war, wurden diese Bänder separat gearbeitet und mit Metallstiften am Unterschenkel befestigt, wie die noch vorhandenen Stiftlöcher zeigen.  

Wenn es wichtig genug war, der Statue die Schuhe eines Römers zu geben, dann darf man auch erwarten, dass beim Kopf aus einem griechischen Porträt ein römisches wurde. Dafür spricht, dass die Haare auf dem Hinterkopf sich deutlich von denen auf dem Vorderhaupt, also vor den Ohren, unterscheiden.

Auf dem Hinterkopf sind die Haare in großzügig geschwungene Locken gelegt, die sich zu Gruppen zusammenlegen. Auf dem Vorderkopf sind die Locken kleinteiliger und insgesamt flacher. Obwohl der Bildhauer geschickt einige der Locken der Hinterhauptfrisur vor den Ohren auslaufen ließ, ist zwischen den beiden Teilen eine Stufe auszumachen. Der Marmor wurde demnach an der Vorderseite des Kopfes bis zu einem Zentimeter abgearbeitet.  

Nur anhand der Reste der ursprünglichen Frisur war es doch möglich, andere Porträtköpfe ausfindig zu machen, die dieselbe Anordnung der Haare auf dem Hinterkopf zeigen und darum offenbar Kopien desselben Entwurfs sind, nach dem der Kopf der Statue in den Vatikanischen Museen ursprünglich gearbeitet war.  

Eine dieser Kopien in Genf zeigt im zählbaren Bestand am Hinterkopf die gleiche Zahl und Ausrichtung der Locken wie der Kopf der vatikanischen Statue, auch wenn die Bildhauerarbeit im Stil jeweils unterschiedlich ist.  

Eine dünne Maske, die dem Kopf in Genf abgenommen wurde, passt genau auf den Kopf des Poseidippos im Vatikan, es handelt sich also um maßgleiche Köpfe.  

Wie bei einer Umarbeitung zu erwarten, ist das Volumen des Vorderhauptes der Statue an jeder Stelle geringer als das des Kopfes in Genf. Denn ein durch Umarbeitung gewonnenes Porträt muss mit dem vorhandenen Stein auskommen, es kann nirgends weiter ausladen als das ursprüngliche Stück. Sollte die Probe dies bei einer vermuteten Umarbeitung ergeben, wäre der sichere Gegenbeweis geführt; der umgearbeitete Kopf könnte nicht aus dem vermuteten Vorgänger herausgemeißelt sein. Beim Kopf in Genf und der Statue des Poseidipp in den Vatikanischen Museen ergab die Probe jedoch ein positives Ergebnis.  

Wie sich der urprüngliche Umriss des Kopfes zum reduzierten Volumen der zweiten Fassung verhält, kann eine Animation veranschaulichen.

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Vom ptolemäischen König zum römischen Princeps: Ein Porträt des Augustus aus Ägypten

Der mit 30 cm (Gesicht: 15,1 cm) unterlebensgroße Einsatzkopf aus Ägypten in Stuttgart ist in seinem vorderen Teil eine getreue Replik des Primaportatypus des Augustus. Doch hinter den Ohren wird die Strähnenfrisur nicht fortgesetzt; stattdessen sieht man kurzgelocktes Haar.  

Noch merkwürdiger ist, dass der Kaiser ein breites Banddiadem trägt, das nur im Nacken nicht mehr ausgearbeitet war. Ein solches Diadem ist das wichtigste Insigne der hellenistischen Könige. Es wurde in Rom vor dem Hintergrund der republikanischen Traditionen vehement abgelehnt und deshalb von römischen principes nicht getragen.  

Aus dem Scheitern Caesars in seinen Bemühungen um die Einführung der Monarchie in Rom hatte Augustus die Konsequenz gezogen, jeden Anschein königlichen Gebarens zu vermeiden. Er stellte sich selbst als Restitutor der Römischen Republik dar. Darum ist es sogar in Ägypten undenkbar, dass Augustus absichtlich mit dem hellenistischen Königsdiadem dargestellt wurde.   Die Ausarbeitung des Kopfes lässt in der Tat erkennen, dass dieser zunächst ein hellenistisches Porträt eines ptolemäischen Königs war, das in ein Augustusporträt umgearbeitet wurde.

Eines der deutlichsten Indizien für zwei Phasen der Bearbeitung findet sich an der linken Seite des Halses. Die geglättete und damit einst fertig ausgearbeitete Oberfläche der Halsrückseite endet dort mit einer unregelmäßig gewundenen Stufe. Nach vorn setzt sich die ebenfalls geglättete Halsoberfläche auf einer tieferen Ebene fort. Diese gehört offensichtlich zur selben Phase wie das Gesicht. Am Hals sind also zwei ausgearbeitete Phasen des Porträts erkennbar: hinten eine ältere, höher liegende Ebene, zu der der Hinterkopf gehört, vorn eine tiefer liegende Ebene der zweiten Phase, zu der die Kopfvorderseite gehört. Auf der rechten Halsseite sind die Übergänge zwischen beiden Phasen fließend gearbeitet. Zu welcher Phase gehört nun das Diadem?

Man könnte vermuten, dass es zur zweiten Phase gehört, weil es unten im Nacken nicht zuende gearbeitet ist. Doch hierbei handelt es sich nur um eine nachlässige Arbeit, wie man sie in Ägypten auch sonst findet.

Außerdem gibt es am Kopf in Stuttgart Indizien, durch die das Diadem eindeutig der ersten Phase zuzuordnen ist: Meißellinien, die von den tiefen Einschnitten zwischen den Stirnhaarsträhnen des Augustus aus nach hinten führen, durchschneiden das Diadem. Es muss also schon dagewesen sein, als das Augustusporträt angelegt wurde. Es wurde dabei teilweise zerstört.   Zum Augustusporträt gehören also das Gesicht, das glatte Stirn- und Schläfenhaar und die Vorderseite des Halses. Zu dem vorausgehenden Ptolemäerporträt gehören das lockige Haar auf der Rückseite, die rückwärtige Seite des Halses und das Diadem.

Hat man dies erkannt, darf man auch einige formale Merkwürdigkeiten des ansonsten sehr typengetreuen Augustusporträts auf das notwendige Wegnehmen von Material bei der Umarbeitung zurückführen:  
− die zu schmalen Nasenflügel  
− die nicht ausgearbeiteten Lippen bei differenziert angelegter Mundspalte  
− die harte und tiefe Kehle zwischen Unterlippe und Kinn  
− die angedeuteten Strähnchen vor den Ohren, die keine plastische Oberflächengliederung haben und einfach im Umriss aus der alten, höher liegenden Hautfläche herausgeschnitten sind (und natürlich einst durch Bemalung hervorgehoben waren).

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Augustus
  

Von Caligula zu Claudius

Ein Cameo in Wien wurde aus einem größeren Stein herausgeschnitten, wie am unregelmäßigen Umriss und dem seltsamen Verlauf des Gewandes zu erkennen ist. Die wichtigeren Veränderungen wurden aber am Kopf vorgenommen und wesentlich geschickter ausgeführt. Das Porträt zeigt die ältlichen Züge des Kaisers Claudius (41−54 n.Chr.), und auch die Fransen des Stirnhaares folgen dem Haupttypus dieses Kaisers. Doch fällt auf, dass das Untergesicht im Verhältnis zum Hals recht schmal ist, der Kopf aber näher zum Reliefgrund breiter wird. Die Haare über der direkt auf der Stirn liegenden, sehr flachen Lockenreihe sind viel fülliger. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die Lockenreihe über den Stirnfransen das Haarschema des Caligulaporträts mit seiner kräftigen Haarzange über der rechten Schläfe und der Gabelung in der Stirnmitte wiedergibt, so z.B. an einem Porträt in Malibu. Somit erklärt sich das merkwürdig unterschiedliche Volumen der zwei Locken-Register über der Stirn als Resultat einer Umarbeitung.  

Aus einem Porträt des Caligula, der nach seinem Sturz 41 n.Chr. der damnatio memoriae verfiel, wurde ein Porträt seines Nachfolgers Claudius. Die Haartracht des Caligula blieb unangetastet, aber darunter wurde aus der Stirnoberfläche eine zusätzliche Reihe kurzer Sichellocken herausgearbeitet. Die Stirn wirkt dadurch recht niedrig. An der Reliefhöhe der Stirnfransen ist zu erkennen, bis zu welcher Höhe die Gesichtsoberfläche des ursprünglichen Porträts dort reichte. Auf der Stirn wurde nur eine einigermaßen dünne Schicht abgenommen und eine horizontale Falte eingetieft, um die Züge des jugendlichen Caligula in die des alternden Claudius zu verwandeln. Mehr Material musste anscheinend im Untergesicht entfernt werden, das jetzt leicht eingesunkene Wangen und ausgeprägte Nasolabialfalten hat. Der kleine, schmallippige Mund musste wohl vom Caligulaporträt übernommen werden, denn für einen breiteren Mund, wie bei anderen Claudiusporträts, stand kein Material zur Verfügung.  

Die Charakteristika des Haupttypus der Porträts des Claudius sind alle vorhanden, doch die Proportionen stimmen nicht überein, wie ein Vergleich mit dem Claudiusporträt in Braunschweig zeigt: Dort ist die Stirn höher und das Untergesicht breiter. Es weist zudem einen breiteren Mund auf. Dass sich die Stirnhaarsträhnen nur an den Spitzen ein wenig voneinander trennen, hat der umgearbeitete Kameo mit anderen Porträts des Claudius gemeinsam; doch sind diese kurzen Fransen sonst der vordere Abschluss einer fülligen Haarkappe. Sie bilden beim Claudius in Braunschweig ein hohes Relief, von dem sich die dünnen Strähnen des Kameo in Wien deutlich unterscheiden.  

Alle Formen des Claudius-Kameo in Wien lassen sich einem Vorgängerporträt des Caligula mit größerem Volumen einbeschreiben. Für den Nachweis einer Umarbeitung ist es wichtig, dass die neuen Formen an keiner Stelle über die der angenommenen Erstfassung herausragen, denn der Halbedelstein bot keine Möglichkeiten der Anstückung.  

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 memoria damnata
Gaius (Caligula)
Claudius
  

Von Nero zu Titus

Ein lebensgroßer Kopf der Sammlung Wallmoden stellt nach Gesicht, Stirn- und Schläfenhaar den Kaiser Titus dar: Das Gesicht ist von Haaren eingefasst, die sich zu kleinen Locken einringeln.   Allerdings sind die Proportionen für ein Porträt dieses Kaisers viel zu schmal. Tatsächlich zeigt die Rückseite nicht die Löckchenfrisur des Titus, sondern eine julisch-claudische Strähnenfrisur. An der rechten Seite ist diese Strähnenfrisur unten grob abgehackt und geht mit einer Stufe in eine tiefergelegene Oberfläche über.

Die Strähnen auf dem Hinterkopf sind viel sorgfältiger gearbeitet als die Ringellocken vorn. Anscheinend fehlten nach der Beseitigung der verräterischen Strähnenfrisur das Material und der Wille, die Binnenstruktur der Locken detailliert auszuarbeiten. Auch die kurzen Koteletten wurden nicht konsequent entfernt.   Es lässt sich nicht zweifelsfrei bestimmen, welchem Porträttypus die Haare auf der Rückseite zuzuordnen sind. Aber es ist höchst wahrscheinlich, dass die erste Fassung einen jugendlichen Typus des Nero wiedergab, der dann in ein Porträt des Titus umgewandelt wurde.   An dem Kopf wurden noch weitere Manipulationen vorgenommen, die nicht genau zu entschlüsseln sind. So bleibt fraglich, was die noch über den Ohren im Kopf steckenden Eisenstifte halten sollten, und welcher Phase sie angehören.

Der Kopf musste zumindest einen weiteren Umarbeitungsversuch über sich ergehen lassen, der nichts mit Nero oder Titus zu tun hat: Auf beiden Wangen ist mit kurzen Meißelhieben der Anflug eines Bartes eingearbeitet worden. Diese Technik erinnert am ehesten an Werke des 3. Jahrhunderts n.Chr.

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 memoria damnata
Nero
Titus
  

Veränderung eines Einsatzkopfes

Quer über den Kopf dieses Porträts eines Prinzen julisch-claudischer Zeit in Kopenhagen verläuft eine Bearbeitungsgrenze. Während der Kopf vorn gut ausgearbeitet ist, ist die Zone jenseits der Grenze nur grob behauen. Auf der Rückseite sieht man jedoch ein höher liegendes Stück von Gewandoberfläche. Der Kopf dürfte ursprünglich einer Figur im Opfergestus mit einer über den Kopf gezogenen Toga angehört haben. Bei einer Zweitverwendung wurde die Toga über dem Kopf abgearbeitet.

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Problemzone Ohren

Hinter dem rechten Ohr eines tetrarchischen Porträts in Kopenhagen sieht man noch ein Stück geglätteter Oberfläche, das höher liegt als die mit dem Spitzmeißel bearbeitete Haaroberfläche. Es stößt nach unten mit einer Stufe an die tiefer liegende und weniger stark geglättete Halsoberfläche an. Dieser Rest einer fertig ausgearbeiteten Oberfläche muss zu einer vorausgehenden Phase des Kopfes gehören.  

Links sieht man hinter dem Ohr eine etwa 0,5cm dicke, grob gehauene Kante: Sie zeigt, wie viel an Masse entfernt wurde, als man das neue Porträt ausarbeitete. Von den Ohren selbst ist beim rechten noch das alte Zentrum mit der großen Eintiefung erhalten, während der Ohrenrand zurückgearbeitet wurde. Links ist fast das ganze Ohr abgeflacht und verkleinert worden, nur in der Mitte steht noch ein Rest des alten Ohrinneren, das an seiner Politur kenntlich ist.

Eine verballhornte Togabüste der Sammlung Wallmoden

Ein Porträt der Sammlung Wallmoden aus den Jahren 240−250 sitzt ungebrochen auf einer Büste, die mit der contabulierten Toga bekleidet ist. Ungewöhnlich ist dabei, dass die Contabulatio nicht wie bei den anderen Büsten des Typus im 3. Jahrhundert n.Chr. dick und brettartig vor dem Körper entlanggeführt ist. So erforderte es die Drapierungsweise, und so zeigen es auch die Büsten z.B. bei Alexander Severus und Philippus Arabs. Vielmehr schmiegt sich die Toga dem Körper an, sinkt über dem Brustbein ein und hat an der Stelle der Achsel einen Einschnitt.   Büsten mit der contabulierten Toga sind außerdem gewöhnlich im Verhältnis zum Kopf größer. Da die Einsenkung über dem Brustbein und an der linken Achsel nur bei nackten Büsten vorkommt, und weil das kleine Büstenformat im früheren 2. Jahrhundert n.Chr. üblich war, muss man schließen, dass eine frühere nackte Büste zugrunde lag, die recht und schlecht in einen beliebten Büstentypus des 3. Jahrhunderts n.Chr. umgewandelt wurde, als man das neue Porträt ausarbeitete.  

Bei dieser Umarbeitung waren die Ohren nicht mehr zu retten. Man setzte neue ein, von denen heute ein Teil des rechten erhalten ist, während alle weiteren Teile der Ohren modern ergänzt sind.  

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 Büstentypen  

Die Bedeutung von Umarbeitungen für die Porträtforschung

Allein die Menge umgearbeiteter Porträts, die sich zufällig in den Beständen der Göttinger Sammlungen finden, zeigt, wie verbreitet diese Praxis war. Das wird durch Schriftquellen bestätigt, die mehrfach von Wiederverwendung berichten. Ein beredtes Zeugnis aus der Zeit Trajans ist die Rede des Dion von Prusa an die Rhodier. Darin prangert er deren Sitte an, die zahllosen alten Ehrenstatuen auf den öffentlichen Plätzen von Rhodos skrupellos in Porträts zeitgenössischer Römer umzuwandeln, entweder durch einfache Änderung der Inschriften oder durch Umarbeitung. Und nicht zufällig ist ein großer Teil der erhaltenen Porträts aus dem 4.−6. Jahrhundert n.Chr. aus älteren Bildnissen umgearbeitet, die sich über die Jahrhunderte in großer Zahl angesammelt hatten, nun aber in ihrer ursprünglichen Bestimmung uninteressant geworden waren.  

Umarbeitungen zu erkennen, ist für die Erforschung des Porträts wichtig, einerseits zur Einordnung des historischen Phänomens, andererseits weil die umgearbeiteten Porträts oft formal und typologisch durch das Vorgängerporträt beeinträchtigt sind; und die Ikonographie der Kaiser, die die umgearbeiteten Porträts darstellen sollen, würde verunklärt, wenn man dies nicht beachten würde.

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 memoria damnata
Typenbestimmtheit
Dion von Prusa 31,74