Grabstatuen und andere Porträts am Grab

Das Festhalten der Erinnerung an Verstorbene gehört zu den frühesten bekannten Funktionen von Porträts und blieb noch lange eine der wichtigsten Aufgaben. Hier muss ein kurzer Überblick genügen; die erwähnten Porträts werden noch in anderen Kapiteln jeweils im Zusammenhang besprochen.

In archaischer Zeit werden Statuen junger Männer (kouroi) und Frauen (kore) als besonders aufwendige Grabmäler errichtet. Inschriften nennen die Namen und bezeugen, dass diese Figuren als Darstellungen bestimmter Verstorbener verstanden wurden. Also waren sie Porträts im antiken Sinne. Ein Beispiel ist die Statue des Kroisos aus Attika. Daneben gab es Grabreliefs, ebenfalls mit inschriftlich benannten Bildnissen der Verstorbenen. Attribute können die Dargestellten näher charakterisieren, so den bärtigen Aristion als würdigen Mann und verdienten Krieger, oder den namenlos erhaltenen jungen Mann eines anderen Reliefs als Sportler, der einen Diskus trägt.

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 Archaik  

Die seit dem späteren 5. Jahrhundert v. Chr. bei Athen zahlreich errichteten Grabreliefs zeigen die Bürger der Stadt in einer begrenzten Zahl von Rollenbildern: schöne Frauen, tapfere Krieger, athletische junge Männer und würdige ältere Männer und Greise. Inschriften stellen den direkten Bezug der Figuren auf den Grabreliefs her, doch sind die Gestalten bemerkenswert gleichförmig. Dies entsprach wohl den Erwartungen an das Auftreten vorbildlicher athenischer Bürger klassischer Zeit in der Öffentlichkeit: Darstellungswürdig war, was den anerkannten Normen für Verhalten und Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit entsprach. Individualität war dagegen zu vernachlässigen und wurde nicht ins Bild gebracht, anders als bei manchen gleichzeitigen Ehrenstatuen.

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 Klassik: 4. Jahrhunderrt v.Chr.  

In hellenistischer Zeit gibt es in zahlreichen Städten des griechischen Ostens Grabreliefs, lokale Traditionen bilden sich heraus. Doch auch diese Reliefs bleiben grundsätzlich allgemeinen Normen verpflichtete Bilder der Verstorbenen, die nicht oder nur wenig individualisiert werden. Eine beliebte Form sind die sog. Totenmahlreliefs, die einen verstorbenen Mann auf der Kline und eine sitzende Frau zeigen. Weitere Angehörige können daneben aufgereiht werden. Reliefs mit stehenden Figuren, von kleinen Dienern begleitet, bilden eine weitere große Gruppe, in Göttingen vertreten durch das Grabrelief einer Demeterpriesterin aus Smyrna.

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 Hellenistische Bürger & Intellektuelle: Bürger  

Grabreliefs spielen auch in in der römischen Sepulkralkunst eine große Rolle. In der Zeit der Wende von der späten Republik zur frühen Kaiserzeit entstanden die sog. Kastengrabsteine, die häufig ein Paar von Mann und Frau im Handschlag verbunden zeigen. Diese Darstellungen in Büstenform geben nur einen Ausschnitt der ganzen Figur wieder.

Daneben gab es Rom schon seit republikanischer Zeit als aufwendigere Form Grabstatuen. Sie standen an den Fassaden oder im Inneren von Grabbauten. In der Göttinger Sammlung ist diese Gruppe von Grabdenkmälern durch zwei Frauenporträts in Kopenhagen vertreten. Die Frau mit dem Körper der Kapitolinischen Venus vertritt die Gruppe der theomorphen Porträts, die in der römischen Sepulkralkunst der Kaiserzeit aufkommen. Die Büste der Frau aus dem Grab der aristokratischen Familie der Licinier war zum Einsetzen in eine bekleidete Statue bestimmt.

Porträts römischer Grabdenkmäler spiegeln die Porträtentwicklung ihrer Zeit: Sie sind jeweils nach der Mode ihrer Zeit frisiert; Alterszüge kommen bei Männern wie bei Frauen vor. Das Gegengewicht zu diesen Formen der Individualisierung bilden die stark normierten Körper der Figuren, die eine begrenzte Zahl von Typen wiedergeben bzw. von Skulpturen entlehnt sind, die ursprünglich nicht als Porträt entworfen waren, wie im Fall der Frau in Venusgestalt.

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 Grabporträt
Theomorphes
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