Herrscherstatuen

Aus der griechisch-römischen Antike sind zahlreiche Statuen und andere Porträts von Herrschern überliefert. Historische Quellen berichten von der bedeutenden Rolle, die sie in den Beziehungen zwischen Herrschern und Beherrschten spielten. Unter den erhaltenen antiken Porträts sind sie verhältnismäßig zahlreich. Doch eine scharfe Unterscheidung zwischen Herrscherporträts und Porträts normaler Sterblicher ist kaum möglich: Es gibt kein Format, keine Ikonographie und nur wenige Attribute, die exklusiv von Herrschern für ihre Selbstdarstellung reserviert waren. Das ist umso erstaunlicher, als die älteren Kulturen, in deren Nachbarschaft sich die griechischen Staaten und Rom entwickelten, eine ausgeprägte Herrscherikonographie kannten.

Die Statue Ramses II (1290−1224 v.Chr.) in Turin, deren Oberteil die Göttinger Sammlung im Abguss besitzt, trägt auf dem Kopf eine „blaue Krone“, mit Uräusschlange über der Stirn und einen Krummstab in der rechten Hand. Diese Insignien − die nur einen kleinen Ausschnitt aus dem möglichen Repertoire bilden − waren dem Pharao vorbehalten; niemand sonst durfte sie führen.

Andere Fürsten verwendeten die Insignien des Perserreiches, so ein lykischer Dynast von Xanthos, der seinen Grabbau im 4. Jahrhundert v.Chr. mit Reliefs im griechischen Stil schmücken ließ. Eine der Platten zeigt ihn unter einem Schirm thronend während einer Audienz. Er trägt eine Mitra, die der persischen Königstracht entlehnt ist. Durch die Darstellung

des königlichen Ornats hebt sich das Bildnis dieses Fürsten deutlich von den zahlreichen übrigen Figuren dieses Monumentes ab.

Gegenüber den Herrscherbildern der Kulturen des vorderen Orients, die durch ihre Ikonographie mühelos die Distanz zu anderen Bildnissen herstellten, bedienten sie sich hellenistischer Könige und römischer Kaiser grundsätzlich desselben Repertoires wie die Ehren- und Grabstatuen gewöhnlicher Bürger: Mantel- bzw. Togastatue, Panzerstatue und theomorphe Figurentypen. Zivile und militärische Verdienste sowie schmeichelhafte Vergleiche mit Göttern und Heroen waren auf diese Weise für Könige ebenso wie andere Geehrte ins Bild zu setzen. Nur einzelne Attribute wie z.B. das hellenistische Herrscherdiadem oder einige Kränze, die immer mehr zum Vorrecht der Kaiser wurden, heben diese unmissverständlich von anderen Porträts ab. Statuentorsen, denen solche Attribute fehlen, sind darum meist nicht sicher als Herrscherbildnisse zu bestimmen.

Es geht es bei den Darstellungen hellenistischer und römischer Herrscher um eher feine Unterschiede, mit denen sie sich graduell abhoben: Ihre Porträts standen an den besten Plätzen, waren besonders kostbar oder groß und führten neue und originelle Formen ein. So wurden Porträts in Göttergestalt offenbar zunächst für Herrscher und ihre Angehörigen entwickelt. Doch war damit keine Garantie auf Exklusivität verbunden. Gerade in der Sepulkralkunst römischer Zeit lässt sich beobachten, wie schnell sich weitere Bevölkerungskreise solche Formen aneigneten.

Erst in der Spätantike bildet sich ein spezieller Kaiserornat heraus. Auf dem Diptychon in Halberstadt tragen die Kaiserfiguren im oberen Bildstreifen das Juwelendiadem mit Perlschnüren und weiteren kaiserlichen Schmuck; dazu ist der kaiserliche Purpur ihrer Tracht zu ergänzen. Dagegen sind die Beamten im mittleren Bildfeld mit dem Dienstkostüm ihres Ranges bekleidet, Toga bzw. Chlamys mit den zugehörigen Attributen.

Verglichen mit den Konventionen früherer und späterer Zeiten ist die Antike also eine Phase, in der Herrscherfiguren bemerkenswerterweise keine eigene Gattung bilden.

Sammlung E-learning Quellen Literatur
Augustus von PrimaportaTheomorphes
Hellenismus: Überlieferung & Identifizierung Ehrenstatue
Grabporträt
Attribute