Ahnenporträt und Porträt im Haus

Römische Häuser waren keine Privathäuser im modernen Sinne, sondern hatten auch Funktionen, die in das öffentliche Leben wirkten: Die domini empfingen im Atrium und anschließenden Räumen Freunde, Geschäftspartner und Klienten. Darum eigneten sich die Häuser auch als Aufstellungsorte für Porträts. Historische Quellen und archäologische Funde bezeugen dafür verschiedene Möglichkeiten:

Ahnenkult und imagines maiorum

Eine römische Besonderheit ist die Verwendung von imagines maiorum im Ahnenkult der Patrizier. Sie waren Wachsbildnisse, die in verschließbaren Schreinen aufbewahrt wurden. Nur an Festtagen wurden deren Türen geöffnet und die imagines geschmückt. Außerdem konnten diese Wachsbildnisse bei den großen Leichenbegängnissen der Aristokratie als Masken getragen werden. Die wichtigste Quelle dafür ist ein Passus des griechischen Historikers Polybios, der aus eigener Anschauung die Bräuche bei Leichenbegängnissen der römischen Aristokratie und die Ahnenbilder in deren Häusern im mittleren 2. Jahrhundert v.Chr. beschrieb. Inschriften mit der Angabe der Ämter und Ehren trugen zum Ruhm der Dargestellten und ihrer Familien bei. Patrizische Familien führten die Tradition noch in der Kaiserzeit fort, doch scheint ihre Bedeutung abgenommen zu haben. Keines dieser Bildnisse ist erhalten, was wegen des leicht vergänglichen Materials verständlich ist.

Porträts in Wohnhäusern

Im späteren 1. Jahrhundert n.Chr. beklagt Plinius einen Wandel der Sitten. Er deutet die Bevorzugung von Bildnissen aus Edelmetall gegenüber den altehrwürdigen Wachsbildern als Zeichen des Sittenverfalls.

Daneben gab es Gemälde und Skulpturen aus Bronze und Stein. In der Göttinger Sammlung gibt es zwei Porträts, die in der Casa del Citarista in Pompeji gefunden wurden. Sie waren zum Zeitpunkt der Verschüttung der Stadt 79 n.Chr. nicht aufgestellt, sondern in einem Nebengebäude deponiert. Es ist darum nicht sicher, ob die Büsten ursprünglich im Haus aufgestellt waren. Von beiden Porträts gibt es Repliken, was für eine öffentliche Ehrung sprechen könnte. Beide Büsten haben jedoch ein Format, das für Porträts verwendet wurde, die an ihrem Aufstellungsort in pompejanischen Häusern gefunden wurden. Man kann erwägen, ob die beiden hier gezeigten Marmorporträts aufgestellt wurden, um eine Verwandtschaftsbeziehung oder Klientelverbindung zu einflussreichen römischen Patronen ins Bild zu setzen.

Neben Porträts von Bewohnern und ihren Angehörigen und Freunden gab es in römischen Wohnhäusern zahlreiche Porträts, die die kulturellen Interessen ihrer Besitzer widerspiegelten. Porträts von griechischen Schriftstellern und Philosophen sind deshalb in zahlreichen Kopien überliefert. Die hier gezeigten kleinformatigen Büsten griechischer Philosophen aus der Villa dei Papiri bei Herculaneum lassen sich mit Nachrichten über die Verehrung griechischer Philosophen verbinden: Anhänger des Epikur trugen dessen Bildnisse mit sich herum und begingen feierlich Gedenktage zu Ehren des Philosophen.

Im 2. Jahrhundert n.Chr. setzte in Griechenland die Bewegung der sog. Zweiten Sophistik ein, die sich um eine Erneuerung der klassischen griechischen Tradition bemühte. Ein herausragender Vertreter dieser Bewegung war Herodes Atticus, einer der reichsten Männer des mittleren 2. Jahrhunderts n.Chr. Zu seinem Kreis gehörten junge Männer, die er als Pflegesöhne (trophimoi) aufgenommen hatte und die er nach deren frühem Tod ostentativ betrauerte. Zu ihrem Gedenken wurden Porträts auf dem ausgedehnten Gebiet der Besitzungen des Herodes Atticus errichtet. In der Göttinger Sammlung sind diese Porträts durch ein Porträt des Polydeukion und ein Porträt des Memnon (?) aus der Villa des Herodes Atticus bei Luku vertreten.

Die Beispiele zeigen, dass die Grenzen von Porträts im Haus zu öffentlichen Ehrungen einerseits und kommemorativen Porträts am Grab andererseits nicht scharf gezogen wurden. Wie im Abschnitt zu Ehrenstatuen ausgeführt, konnten Ehrungen durch Dritte auch im Wohnhaus des Geehrten errichtet werden. Die imagines maiorum aus Wachs und andere Bildnisse, die von den Bewohnern der Häuser selbst aufgestellt wurden, richteten sich ebenso an eine Öffentlichkeit, die Besucher des Hauses. Als Medium der Selbstdarstellung sind sie mit Porträts an Gräbern zu vergleichen, die auch von den Besitzern einer Grabanlage selbst in Auftrag gegeben wurden.

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