Kaiser & Privatporträt in der römischen Kaiserzeit

Die nicht individualisierten Porträts der Antike, Porträts im weiten Sinne des Begriffs, wie die archaischen Kouroi und Koren oder die Bildnisse auf den athenischen Grabreliefs, sind vollständig von Normen bestimmt, die individualisierende Kennzeichnung ausschließen.

Doch auch die individualisierten Porträts der Antike − wie auch die der Nachantike − weisen keine völlig individuellen Züge auf. Sie folgen vielmehr Konventionen, die von kollektiven Wertvorstellungen bestimmt sind: von der Frage, ob Alter dargestellt oder unterdrückt wird, von Frisurenmoden, und Konventionen des mimischen Ausdrucks. Die republikanischen Altersporträts sind gute Beispiele für eine solche Konvention und die damit verbundenen Werte. Das Phänomen ist selbstverständlich auch aus der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit bekannt. Man denke an die Fotos ernsthaft blickender Fürsten und Privatleute aus dem 19. Jahrhundert, von Militärs mit grimmigem Blick und herrischer Kopfwendung aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts oder die ostentativ gute Laune, die heute Fotos von Politikern wie Privatleuten überzieht.

Im römischen Porträt der späten Republik und der Kaiserzeit findet sich jedoch ein spezielles Phänomen, für das die Porträtforschung den Begriff ‚Zeitgesicht‘ gebraucht. Frauen- und Männerporträts ahmen nicht nur die Frisurenmoden sondern auch die Physiognomien der Machthaber, der Kaiser und Kaiserinnen nach: von der Alterskennzeichnung zur Mimik bis hin zu scheinbar ganz individuellen Zügen wie den Knochenbau und spezielle Formen der Augenlider.

Sie sehen daher oft den Porträts der Kaiser und Kaiserinnen zum Verwechseln ähnlich. Das ‚Zeitgesicht‘ war offenbar eine Erscheinung, die eng mit der dem Konstrukt des Prinzipats verbunden war, in dem die Fiktion herschte, die Kaiser seien keine Monarchen, sondern nur höchste Magistrate. Ihre Porträts hoben sich daher nicht von ihrer Umgebung ab und konnten ihrerseits nachgeahmt werden. Die Kaiser sahen aus wie jedermann und jedermann konnte aussehen wie die Kaiser. Zugleich waren die Kaiserbilder denselben kollektiven Wertvorstellungen verpflichtet wie die der Privatpersonen.

Das änderte sich grundlegend in konstantinischer Zeit, als die Kaiser eingestandenermaßen Monarchen wurden und sich durch Insignien, Tracht und Zeremoniell auch so darstellten. Von diesem Zeitpunkt an trennten sich die Gestaltung der Porträts nichtkaiserlicher Personen von denen der Kaiser. Das Verhältnis von Kaiser- und Privatporträt in dieser Epoche wird deshalb gesondert betrachtet.

Sammlung E-learning Quellen Literatur
 Kaiserzeit
Spätantike