Porträts an und in Grabbauten

Porträts in einem Grabkontext haben vor allem kommemorative Funktion. Die Erinnerung an Verstorbene soll durch ihr Bildnis im Gedächtnis bleiben. An Gräbern kommen alle Formen von Porträts vor: Statuen, Büsten und Reliefs.

Das sog. Kranrelief vom Grab der Haterier zeigt mehrere Möglichkeiten. Dargestellt ist ein Grabbau mit einem Baukran von außen; darüber erscheinen Grabdenkmäler, die ins Innere des Baus gehören. die An der Fassade des Grabbaus im Relief sind drei Medaillons mit den Büsten verstorbener Kinder angebracht. Darunter stehen weibliche Figuren, die allerdings nicht als Porträtfiguren zu erkennen sind. Das Innere des Grabbaus mit weiteren Porträts ist im oberen Teil des Reliefs dargestellt. Die gelagerte Frau auf dem Bett entspricht dem Typus der sog. Klinenmonumente, die sowohl als rundplastische Skulpuren wie auch als Reliefs vorkommen. Rechts daneben steht eine Figur wohl derselben Frau als Venus in einer Nische. Vor dem Bett spielen Kinder. Sie entsprechen den Statuen spielender Kinder, die als Grabstatuen häufig mit Porträts versehen waren. Sie stellen wohl dieselben Kinder dar wie die Büsten an der Grabfassade.

Die Göttinger Sammlung besitzt weitere Beispiele für verschiedene Porträtformen an Gräbern.

Statuen

Lebensgroße, vollplastische Figuren waren die auffälligste Form der Ehrung von Verstorbenen am Grab. In republikanischer Zeit war es üblich, Porträtstatuen nach außen sichtbar aufzustellen. Ein Beispiel dafür sind die Porträtstatuen der Scipionen (Africanus und Asiaticus) an der Fassade ihres Grabes an der Via Appia. Heute ist nur noch die Säulenstellung der Fassade im Ansatz erhalten. Die Erwähnung des Grabes und der Statuen durch Plinius belegt, welche Aufmerksamkeit solche Figuren am Grab anziehen konnten. Zuerst nutzten die politisch führenden Familien der römischen Republik Porträts an Gräbern zur Selbstdarstellung über mehrere Generationen.

Später folgten auch Freigelassene und Neubürger Roms ihrem Beispiel, um stolz ihren Wohlstand und gesellschaftlichen Status vorzuführen. Die Fassade eines Grabbaus in Pompeji ist mit Statuen der Verstorbenen geschmückt; darunter ist eine Inschrifttafel angebracht. Das eingangs gezeigte Relief aus dem Grab der Haterier mit Darstellung von Skulpturen der Verstorbenen ist ein Beispiel für ein solches Grabmal einer nicht adligen Familie, deren Wohlstand nicht aus Grundbesitz, sondern aus dem Baugewerbe stammte. Das Relief zeigt auch die Verlagerung der Statuen von der Fassade ins Innere des Grabbaus, wie es in der Kaiserzeit üblich wurde.

Die Statue einer Frau mit einer Modefrisur aus der Zeit um die Wende vom 1. zum 2. Jahrhundert n.Chr. und dem Körper der Kapitolinischen Venus hat keinen sicheren Fundort, gehört aber zu der Gruppe theomorpher Bildnisse, die häufig im Grabzusammenhang verwendet wurden. Sie wurde in der Villa von Frattocchia bei

Albano gefunden und kommt wohl aus dem zugehörigen Grabbau. Sie stellt vielleicht die Hausherrin dar und keine Freigelassene, die sonst häufig theomorphe Darstellungsformen wählten.   Aus dem Grab der Licinii Crassi stammt der Kopf einer Frau, der mit einem Kegel unten am Hals zum Einsetzen in eine bekleidete Statue vorbereitet war, wo die Fuge vom Saum des Halsausschnitts verdeckt war.

Büsten

Das Grab der Licinii Crassi an der Via Salaria ist ein Beispiel für eine Grabanlage einer aristokratischen Familie aus der frühen Kaiserzeit. Mitglieder dieser gens hatten schon in der späten Republik hohe Ämter inne; durch Heirat waren sie zudem mit anderen mächtigen Familien verbunden. Gerade dies brachte ihnen in der frühen Kaiserzeit politische Verfolgung ein. Im Grab wurden Grabaltäre gefunden, aus deren Inschriften wir die Besitzer des Grabes kennen. Daneben gibt es eine Reihe von Einsatzköpfen von Statuen und Porträtbüsten, die nicht inschriftlich benannt sind. Die Berichte über die Fundverteilung in diesem Grab lassen nicht genau erkennen, wo die Skulpturen ursprünglich aufgestellt waren; wahrscheinlich standen sie im Inneren des Grabes. Ein geeigneter Aufstellungsort für Porträts in Büstenform sind Nischen in den Wänden oder kleine Schreine im Inneren von Grabbauten.

In historischen Quellen wird erwähnt, dass bei einer Heirat in aristokratischen Häusern die Ahnen der Ehefrau der Reihe von Bildnissen der Vorfahren (imagines) hinzugefügt wurden. Entsprechende Ausgrabungsbefunde fehlen allerdings bisher. Doch das Grab der Licinii Crassi zeigt, dass bei der Aufstellung von Porträts in Gräbern ganz ähnlich verfahren werden konnte. Der Stolz auf berühmte Vorfahren führte hier dazu, dass eine Büste des Triumvirn Crassus und ein Porträt des Pompejus, wahrscheinlich ebenfalls in Büstenform, errichtet wurden. Beide Politiker waren gewiss nicht in diesem Grab bestattet. Die Verwandtschaft mit Pompejus war aber der Grund dafür, dass ein Sohn der Familie die Namen Gnaeus Pompejus Magnus erhielt. Das Porträt des Pompejus im Grab der gens unterstrich den politischen Anspruch, der mit seinem Namen erhoben wurde. Letztlich führte dieser Ehrgeiz unter Claudius zur Ermordung des jungen Mannes und seiner Eltern auf kaiserlichen Befehl. Wahrscheinlich blieben die Porträts des Pompejus und des Crassus nur deshalb erhalten, weil die Büsten im Inneren des Grabes aufgestellt und so nur einem begrenzten Kreis von Betrachtern zugänglich waren.

Die Verwendung der Büste als Porträtform bedeutet nicht, dass die beiden berühmten Vorfahren geringeres Ansehen genossen als die Angehörigen, die eine Porträtstatue erhielten. Vielmehr ist zu überlegen, ob beim Anblick von Büsten die Erinnerung an die traditionellen imagines mitschwang, die nur den Kopf umfassten.

Grabreliefs

Am Ende der republikanischen Zeit und dem Beginn der Kaiserzeit entstanden die sog. Kastengrabsteine, die häufig mehrere Verstorbene nebeneinander in einem Relieffeld zeigen. Obwohl diese Reliefs selten ganze Figuren zeigen, sind die gewählten Ausschnitte doch nicht als Büsten zu verstehen, sondern als verkürzte Darstellungen, die aber den ganzen Körper meinen. Das zeigt sich daran, dass viele der Paare auf diesen Reliefs durch Handschlag miteinander verbunden sind.

Eine Auswertung der Inschriften ergab, dass in Rom vor allem Freigelassene die Auftraggeber solcher Grabreliefs waren. Die beiden Grabreliefs in der Göttinger Sammlung haben bzw. hatten entsprechende Inschriften; beim Grabrelief der Gratidii wurde sie mit dem Rahmen und dem Reliefgrund neuzeitlich abgemeißelt und ist nur durch Abschrift überliefert. Der Handschlag der Paare (dextrarum iunctio) hat für Freigelassene eine besondere Bedeutung. Er setzt die Eheschließung ins Bild, auf die sie erst nach ihrer Entlassung aus der Sklaverei Anrecht hatten.

Ein provinzielles Grabrelief aus Xanten zeigt den Grabinhaber, Marcus Caelius, als Halbfigur. Besondere Sorgfalt wurde auf die vollständige Darstellung der militärischen Ehrenzeichen dieses Centurio verwendet, der auf dem berühmten Feldzug des Varus („Schlacht im Teutoburger Wald“) ums Leben kam. Die Inschrift betont ebenfalls den Status des Marcus Caelius.   Die zentrale Figur wird im Relieffeld von zwei Büsten der Freigelassenen des M. Caelius flankiert. Sie imitieren freiplastische Büsten, die in einen Hermenschaft eingelassen sind; die Schäfte dienen als Träger der Inschriften.

In den beiden ersten Jahrhunderten der römischen Kaiserzeit entstanden die meisten römischen Grabreliefs, reliefierte Urnen und Grabaltäre. Zwar gibt es in dieser Epoche Serien von typologisch ähnlichen Grabreliefs, doch die Vielfalt der individuellen Lösungen lässt sich kaum in ein Schema bringen. Neben Büsten und Halbfiguren gibt es auch Darstellungen ganzer Figuren, teils in Lebensgröße. Die Porträts auf Urnen und Altären haben allerdings meist ein kleines Format, was durch die geringe Größe der Bildträger bedingt ist.

Ein römisches Grabrelief in Dresden war wohl in die Architektur eines Grabbaus integriert. Es gehört zur ikonographisch vielfältigen Gruppe der Grabreliefs mit Berufsdarstellungen. Das Paar der Grabinhaber ist in seinem Metzgerladen dargestellt. Der Mann arbeitet am Hackklotz; die Frau sitzt in einem Lehnstuhl und beschäftigt sich mit Schreibtäfelchen. Obwohl die Szene alltäglich wirkt, ist die Frau durch ihr Sitzmöbel mit Fußschemel als respektable Hausherrin gekennzeichnet. Mann und Frau tragen aufwendige Modefrisuren der antoninischen Epoche. Einerseits zeigt dieses Metzgerehepaar also selbstbewusst sein Handwerk, offenbar die Quelle seines Wohlstands, andererseits orientiert es sich an Modellen, die einen hohen sozialen Status signalisieren.

Sarkophage

Seit dem frühen 2. Jahrhundert n.Chr. wurde in Rom anstelle der zuvor üblichen Brandbestattung die Körperbestattung zur vorherrschenden Sitte. Dies führte dazu, dass die älteren Denkmälergattungen im Sepulkralbereich weitgehend von Sarkophagen abgelöst wurden. Der Reliefschmuck dieser Marmorsarkophage bot verschiedene Möglichkeiten für die Anbringung von Porträts:

− Porträtfiguren oder -büsten in einem eigenen Bildfeld, z.B. einem Tondo für eine Porträtbüste in der Mitte der Vorderseite, oder rechteckigen Bildfeldern an deren äußeren Enden.

− Porträtfiguren in zeitgenössischen Szenen des Menschenlebens.

− Heroen und Heroinen in mythologischen Szenen mit Porträtköpfen. Diese Kombinationen geschahen in der Absicht, die Qualitäten der Verstorbenen durch einen rühmenden Vergleich hervorzuheben.

Wenige, besonders aufwendige Sarkophage hatten einen Klinen-Deckel mit den Figuren der Verstorbenen als rundplastische Skulpturen. Sonst können Porträts auch im Relief von Deckeln erscheinen.

Grabmonumente boten die Möglichkeit, Bildnisse von Menschen zu errichten, die sonst kaum eine Chance auf eine Porträtehrung hatten: Bildnisse von Frauen und Kindern waren hier viel häufiger als im öffentlichen Raum. Berufsdarstellungen zeigen Angehörige eines Mittelstandes, der von höheren politischen Ämtern ausgeschlossen war und sich nur selbst an seinen Gräbern öffentlich darstellen konnte. Doch belegen besonders die Sarkophage, wie auch in der Sepulkralkunst penibel auf Standesunterschiede geachtet wurde: Darstellungen von Amtshandlungen zeigen detailgenau die Insignien, die den porträtierten führenden Männern in Heer und Verwaltung vorbehalten waren. Mythologische Themen waren dagegen frei verfügbar und konnten für poetische Gleichsetzungen der Verstorbenen mit mythologischen Figuren genutzt werden. Viele Sarkophage in der Umgebung Roms standen im Inneren von Grabbauten oder Katakomben, waren also nur einem begrenzten Kreis von Betrachtern sichtbar. Doch gab es auch im Freien aufgestellte und allgemein sichtbare Sarkophage, vor allem im Osten des römischen Reiches.

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Polybios 6,53-54Grabporträt