Römische Frauenporträts

Römische Frauenporträts sind seit der Zeit der späten Republik zahlreich erhalten. In dieser Zeit wurden die ersten individualisierten Frauenporträts geschaffen. Zuvor sind Frauenporträts in Rom und Italien selten. Soweit zu erkennen ist, wurden hier wie im hellenistischen Osten Frauen in der Regel ohne individuelle Züge dargestellt. Spätestens seit augusteischer Zeit waren individualisierte Frauenporträts für Angehörige verschiedener gesellschaftlicher Schichten weit verbreitet; wofür Grabmonumente reiches Anschauungsmaterial liefern.

Eine folgenreiche Neuerung dieser Zeit war die Einführung von schnell wechselnden Modefrisuren, die nun die zeitlos schlichten Haartrachten der älteren Epochen ablösen. Der Wandel dieser Modefrisuren lässt sich über die Jahrhunderte der Kaiserzeit beobachten.

Die Entstehung von Individualporträts für Frauen im 1. Jahrhundert v.Chr.

Porträts prominenter Frauen wurden in der Zeit der Machtkämpfe der späten Republik des 1. Jahrhunderts v.Chr. häufiger. Ebenso wie die ptolemäische Königin Kleopatra VII wurden die Römerinnen Fulvia, Octavia und Livia neben Caesar, Marc Anton und Octavian mit Statuen und Münzbildern geehrt. Diesen Münzbildern ist abzulesen, dass die Damen dieser Zeit Modefrisuren und kostbaren Schmuck trugen. Solche Modefrisuren waren zuvor unbekannt.  

Das Porträt eines Mädchens in Rom, Sammlung Torlonia, ist ein bekanntes Beispiel aus der Frühphase römischer Frauenporträts mit Modefrisur. Charakteristisch für den Stil dieser Zeit sind die knapp modellierten, scharf geschnittenen Gesichtszüge. Das Porträt in der Sammlung Torlonia gehört zu einer Reihe von Porträts, die teils aus Italien, teils aus Griechenland stammen. Meist stellen sie sehr junge Mädchen dar; alle haben komplizierte Frisuren, die ursprünglich mit Metallappliken verziert waren. Bei einigen Exemplaren ist auch der Schmuck in Marmor ausgeführt oder gemalt, so dass die Formen zu erkennen sind und die Rekonstruktion der unvollständig erhaltenen Stücke ermöglichen.

Die feinen Haare des Torlonia-Mädchens liegen zwischen den geflochtenen Strähnen an Schläfen und Scheitel dem Schädel eng an und sind auf dem Hinterkopf zu einem Knoten gebunden. Besonders auffallend sind die geglätteten Flächen. Sie sind Auflageflächen für Metallschmuck. Demnach trug der Kopf längliche Schmuckbleche an den Schläfen, ein Schmuckband auf dem Oberkopf und eine runde Schmuckscheibe auf dem Haarknoten.

Die weite Verbreitung dieser frühen weiblichen Individualporträts zeigt, dass sich ihre Einführung nicht entweder der östlich griechischen oder westlich römischen Kunst zugeschrieben werden kann, sondern gleichzeitig an verschiedenen Orten stattfand. Diese Beobachtung wird durch die erhaltenen benennbaren Frauenporträts der Epoche bestätigt.

Livia

Aufwendige Frisuren tragen auch die frühen Porträts der Livia. Beispiele sind Porträts aus dem Fayum/Ägypten in Kopenhagen und in Ephesos. Beide Porträts stammen aus Gruppen, in denen sie zusammen mit Porträts des Augustus bzw. Tiberius aufgestellt waren. Sie sind deshalb in spätaugusteisch-tiberische Zeit zu datieren. Doch die zugrundeliegenden Entwürfe entstanden wohl im 1. Jahrhundert v.Chr., in frühaugusteischer Zeit.

Auffälligstes Merkmal ist der Haarbausch über der Stirn, für den eine Partie des Stirnhaares zu einer Welle eingedreht wird. Diese Partie wird über dem Scheitel in einer Bahn nach hinten geführt, auf der eine gedrehte Strähne oder ein dünner Zopf liegen kann. An den Seiten ist das Haar über die Ohren in Wellen nach hinten geführt, die sich vom glatt anliegenden Haar am Oberkopf deutlich abheben. Am Hinterkopf laufen alle Strähnen zu einem kompakten, mehrfach verschlungenen Knoten zusammen. Das Porträt der Livia in Kopenhagen aus dem Fayum zeigt eine etwas andere Version der Frisur als das Porträt aus Ephesos, bei dem noch kurze Fransen in die Stirn fallen. Bemerkenswert sind am Porträt der Livia aus dem Fayum die feinen individuellen Züge des Gesichts. Der Kopf in Ephesos hat entsprechend der starken Kopfwendung ein bewegtes Gesicht, Falten in den Wangen scheinen Alterszüge anzudeuten.

Spätere Porträts Livias geben diese elaborierte Modefrisur auf. Sie zeigen eine schlichte Frisur, bei der die Haare seitlich des Mittelscheitels in Wellen nach hinten gekämmt werden. Dieser Porträttypus ist vielleicht ebenso an Modellen der Hochklassik orientiert wie die Augustusporträts im Haupttypus. Zu vergleichen ist der Kopf der polykletischen Amazone in einer augusteischen Kopie aus der Villa dei Papiri. In der Gegenüberstellung des Porträts der Livia in Bochum mit diesem Kopf einerseits und andererseits mit ihren früheren Porträts zeigt sich, wie ihre Gesichtszüge in ein ebenmäßigere Form überführt werden. Aber ihre individuellen Züge werden dabei nicht ganz unterdrückt. Zudem ist die Unterscheidung von lockeren Wellen an den Seiten und dicht am Kopf anliegenden Haaren am Oberkopf beibehalten, während die klassische Frisur gleichmäßig lose Wellen aufweist. Bildern von Göttinnen ist der halbmondförmig hochstehende Haarreif entlehnt.

Livia war als Gemahlin des ersten römischen Kaisers Augustus und Mutter seines Nachfolgers Tiberius die erste Dame, deren Porträts parallel zu den Kaiserporträts in offiziellen Porträttypen verbreitet wurden. Ebenso wie die Kaiserporträts wurden Bildnisse der kaiserlichen Damen zu Vorbildern, die von den Bewohnerinnen des römischen Reiches nachgeahmt wurden.

Die klassizistische Stilisierung der Frauenfrisuren in der mittleren und späten Regierungszeit des Augustus ist jedoch keine Rückkehr zu zeitlosen Frisuren, die über lange Zeit unverändert blieben. Dies zeigt sich an der folgenden Entwicklung, die von raffinierteren Varianten der schlichten Mittelscheitelfrisur ausgeht.

Modefrisuren und die Geschichte römischer Frauenporträts

Nachdem sich individualisierte Porträts mit Modefrisuren etabliert hatten, folgen römische Frauenporträts schnell wechselnden Moden sehr aufwendiger Frisuren. Deshalb sind sie gut in eine zeitliche Abfolge zu bringen. Bemerkenswerterweise ändern sich nur die Frisuren; die als Träger der Köpfe verwendeten Statuentypen bleiben hingegen weitgehend gleich. Meist sind sie von älteren griechischen Entwürfen abgeleitet.

Die Abfolge der Münzbilder von Kaiserinnen und Prinzessinnen bildet das Grundgerüst der Chronologie. Andererseits sind Porträts der Damen des Kaiserhauses nicht in gleicher Weise wie Kaiserporträts auf Münzen zu verfolgen. Während die Münzbilder römischer Kaiser eine nahezu lückenlose Reihe bilden, sind die Bildnisse ihrer Damen nicht ebenso regelmäßig auf Münzen geprägt worden. Das liegt daran, dass Frauen grundsätzlich nicht die offiziellen Funktionen hatten wie Männer. Darum fehlt ihnen auch die Titulatur, die es erlaubt, Kaisermünzen auf das Jahr genau zu datieren.

Anders als Männerstatuen zeigen Frauenstatuen nur sehr selten zeitgenössische Trachten. Schmuck wird in der Kaiserzeit in der Regel nicht dargestellt, eine seit augusteischer Zeit durchgehaltene Darstellungskonvention, die im Widerspruch zu den historischen Nachrichten über die Vorliebe römischer Damen zu reichem Schmuck steht.

Ebenfalls im Unterschied zu Männern werden Frauen meist jugendlich dargestellt. Keine der kaiserlichen Damen zeigt deutliche Alterszüge. In den Zeiten des 2. und 3. Jahrhunderts n.Chr., in denen Kaiser als würdige Männer in reifem Alter gezeigt werden, ist der Kontrast zu ihren weiblichen Pendants besonders auffällig.

Selbst mit diesen Einschränkungen bieten römische Frauenporträts durch immer wieder wechselnde Frisuren und mehr oder weniger zurückhaltende Individualisierung der Gesichtszüge ein differenziertes Bild, das sich weit von den früheren unpersönlichen Bildnissen entfernt.

Moden der julisch-claudischen Zeit

Die sog. Juno Ludovisi trägt eine Modefrisur, die soweit Idealfrisuren angeglichen ist, dass der Kopf lange als Bild einer Göttin angesehen wurde. Doch die Mittelscheitelfrisur mit sehr gleichmäßig gewellten Haaren, die im Nacken zu Zöpfen geflochten und zu einer Schlaufe gebunden sind, entspricht der Mode der augusteisch-tiberischen Zeit. Dazu gehören auch die Korkenzieherlocken, die hinter den Ohren auf die Schultern fallen. Diese Frisur kennt man von Porträts der Antonia minor, Nichte des Kaisers Augustus, Schwägerin des Kaisers Tiberius, Mutter des Kaisers Claudius und Großmutter des Kaisers Caligula. Die sog. Juno Ludovisi ist wohl ein Porträt dieser kaiserlichen Dame in theomorpher Gestalt.

Eine Bereicherung der schlichten Mittelscheitelfrisur sind Ringellöckchen, die den Haaransatz säumen. Mehrere Reihen von Ringellöckchen über der Stirn schmücken ein Frauenporträt aus dem Grab der Adelsfamilie der Licinier. Nur eine Reihe Löckchen über Stirn und Schläfen zeigt das Porträt einer Prinzessin julisch-claudischer Zeit, von dem mehrere Repliken erhalten sind. In Frisur und Gesichtsschnitt ähnelt dieses Prinzessinnenporträt so sehr den Porträts der Antonia minor, dass in ihr wohl deren Tochter oder Enkelin, Livilla oder Antonia Claudia, erkannt werden kann.

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass diese kunstlos wirkenden Wellenfrisuren in Wirklichkeit kunstvoll gelegt sind. Denn die Wellen bilden wohl nicht zufällig durchgehende Rippen. Solche Frisuren sind offensichtlich mit Hilfe von Brennscheren arrangiert worden. Dieses Hilfsmittel kam spätestens seit dem mittleren 1. Jahrhundert n.Chr. auch bei Männerfrisuren zum Einsatz, bekannteste Beispiele sind die späten Porträts des Nero.

Die letzte Frau des Kaisers Claudius und Mutter Neros, Agrippina minor, ist in einem Porträt in Kopenhagen mit einer Modefrisur claudischer Zeit dargestellt. An den Mittelscheitel schließen zunächst Wellen an, die in eine steif wirkende Form gebracht wurden. Zu den Seiten hin werden sie von Ringellocken abgelöst; hinter den Ohren sind die Haare ebenso zu einer Rolle gedreht und im Nacken zu einer Zopfschleife zusammengefasst, wie schon bei etwas früheren Modefrisuren. Korkenzieherlocken fallen auf die Schultern.

Weibliche Privatporträts derselben Zeit variieren diese Formen. Beim Porträt einer Frau in Pola wirken Wellen und Ringellocken weicher als am Porträt der Agrippina. Über den Ringellocken sind die Haare zu Wellen eingedreht, die an frühe Porträts der Livia erinnern. Auch diese Frau trägt Korkenzieherlocken, die auf die Schultern fallen.

An einem Porträt in Kopenhagen sind die Ringellocken an den Seiten des Kopfes durch Spirallocken ersetzt. Alle diese Formen sind als Weiterentwicklung von Modefrisuren der vorangegangenen Zeit zu verstehen.

Moden des späteren 1. Jahrhunderts n.Chr.

Die Ringellocken über der Stirn werden bei den Modefrisuren nach der Mitte des 1. Jahrhunderts n.Chr. immer zahlreicher, bis sie schließlich zu Lockentoupets hoch aufgetürmt sind. Für diese Lockentoupets werden die Haare durch einen Scheitel vor den Ohren von den Haaren am Hinterkopf abgeteilt und aufwendig onduliert. Ohne künstliche Unterbauten zur Formung und Versteifung sind solche Frisuren nicht denkbar. Die Haare auf dem Hinterkopf werden dicht an der Kopfhaut in Zöpfe geflochten, die zu einem Knoten oder Kranz auf dem Hinterkopf aufgesteckt werden.

In flavischer Zeit trägt Julia, die Tochter des Kaisers Titus, eine Modefrisur mit Löckchentoupet. An ihrem in Stein geschnittenen Porträt sind die Details der Haartracht sorgfältig wiedergegeben.

Das Porträt einer Frau in Kopenhagen, das mit dem Körper einer Venus verbunden ist, gibt die Frisur auf dem Hinterkopf nur summarisch wieder. Doch ist deutlich, dass diese Frau sich recht eng der Mode anschließt, die von den Frauen des Kaiserhofes vorgegeben wurde. Frisuren mit Löckchentoupet und ähnlichen hohen Aufbauten über der Stirn wurden bis in trajanische Zeit getragen. Bemerkenswert ist der Kontrast zwischen dem venusgleichen Körper einer Frau in den besten Jahren und ihren etwas streng wirkenden Alterszügen im Gesicht.

Moden des 2. Jahrhunderts n.Chr.

Ein Beispiel für die Formen aufgetürmter Haare am Ende des 1. und Beginn des 2. Jahrhunderts n.Chr. ist das Porträt einer Frau in Kopenhagen. In der Ansicht von vorne liegen die Haare in mehreren Registern übereinander, die anscheinend aus flachgedrückten Spirallocken bestehen. Davor sind lose geringelte Locken zu einem Dreieck arrangiert. Ein Blick von der Seite zeigt, dass diese aufgetürmte Frisur sich nicht auf den Vorderkopf beschränkt, sondern kranzartig nach hinten weitergeführt wird. Damit stellt diese Frisur einen Übergang zu den Modefrisuren des 2. Jahrhunderts n.Chr. her.

Denn nachdem die immer höher aufgetürmten Frisuren kaum mehr zu steigern waren, setzte mit Sabina, der Gemahlin Hadrians, eine radikale Vereinfachung ein: Sabina wird mit einer schlichten Frisur dargestellt, bei der die Haare neben dem Mittelscheitel in losen Wellen nach hinten gestrichen sind. Auf dem Hinterkopf sind sie zu einem ebenfalls lockeren Kranz aufgesteckt. Die neue Schlichtheit hielt nicht lange an. Zum Ausgangspunkt des neuerlichen Aufschwungs kunstvoller Frisuren wurden die am Hinterkopf hochgesteckten Haare der Sabinafrisur. Sie wiesen die Richtung für eine Verlagerung der Haarmasse vom Vorder- zum Hinterkopf.

Das Porträt der Faustina maior, Gemahlin des Antoninus Pius, trägt eine voluminöse Flechtfrisur. Dafür sind sie Haare hinten zu mehreren Zöpfen verflochten und in mehreren Windungen auf dem Kopf zu einem Haarkranz übereinandergelegt. Das Stirnhaar ist mehrfach gescheitelt, die Strähnen eingedreht, wie man es von der sog. Melonenfrisur kennt. Doch führen die Strähnen nicht bis zum Hinterkopf. Dünne Zöpfe grenzen sie zum Haupthaar ab, die vorn zu zwei kleinen rundlichen Knoten zusammengedreht sind.

Eine ähnliche Frisur mit aufgetürmten Flechten auf dem Hinterkopf zeigt das Porträt einer antoninischen Prinzessin. Hier ist das Stirnhaar umgeschlagen und zu parallel geführten Wellen gelegt, wohl mit Hilfe einer Brennschere. Die Masse der Haare, die für solche Frisuren nötig sind, lässt auf die Verwendung von Haarteilen schließen. Allein aus natürlichem Haar sind diese kunstvollen Arrangements kaum zu verwirklichen.

Die Jugendfrisuren der Faustina minor sind wieder weniger voluminös. Am Hinterkopf sind die Haare zu einem verhältnismäßig kleinen Kranz aus Zöpfen aufgesteckt. Beim ersten Typus sind die Haare ähnlich wie beim Porträt ihrer Mutter Faustina maior mehrfach gescheitelt, die Strähnen eingedreht und nach hinten von einem Zopf begrenzt.

Bei einem etwas späteren Porträttypus ist das Haar auf dem Vorderkopf seitlich des Mittelscheitels in Wellen gelegt, die zu Rippen zusammengeschoben sind.

Bei den späten Porträttypen der Faustina minor wirken diese mit der Brennschere gelegten Rippen noch steifer, denn die Rippen wölben sich stärker hoch und haben abgeflachte Rücken. Der große Zopfknoten liegt nicht mehr auf dem Oberkopf, sondern am Hinterkopf, so dass er in der Vorderansicht nicht mehr zu sehen ist.

Moden des 3. Jahrhunderts n.Chr.

Die späten Frisuren der Faustina minor weisen schon die Elemente auf, die die Frisurmode des 3. Jahrhunderts bestimmen: Wellen und Zopfknoten auf dem Hinterkopf. Wieder geben Porträts der Damen des Kaiserhauses die Mode vor.

Ein Kameo in Kassel zeigt Julia Domna, Gemahlin des Kaisers Septimius Severus und Mutter des Kaisers Caracalla, in Gestalt einer Victoria. Sie trägt scharf gewellte Haare auf dem Vorderkopf und ein großes Flechtnest, das den Hinterkopf fast ganz bedeckt. Eine ähnliche Frisur trägt auch der Porträtkopf einer Frau auf einem Cameo, der wohl erst nachantik mit einer Juwelenkrone geschmückt wurde.

Da solche Wellenfrisuren in ähnlicher Form seit julisch-claudischer Zeit immer wieder auftreten, waren ältere Porträts durch Überarbeitung leicht zu Porträts des 3. Jahrhunderts n.Chr. umzuwandeln. Ebendies ist bei diesem Kameo geschehen, zu erkennen an dem im Verhältnis zur Frisur zu kleinen und tiefergelegten Gesicht und an den Spuren gröberer Bearbeitung am Kopf.

Ein weibliches Porträt aus dem frühen 3. Jahrhundert n.Chr. der Sammlung Wallmoden in Göttingen gibt einen uneingeschränkten Eindruck von der Mode dieser Zeit. Das Haupthaar liegt als dicke Kappe dem Kopf auf, der Hinterkopf ist von einem Nest aus kompliziert miteinander verflochtenen Strähnen bedeckt. Die Frisur vergrößert das Volumen des Kopfes und gibt ihm eine runde, kompakte Silhouette.Das Porträt einer Frau in Kopenhagen trägt eine noch aufwendiger gewellte Frisur, bei der die Haare über der Stirn und an den Schläfen in einem Streifen abgeteilt und zu einer Rolle eingedreht sind. Auch hier sind die Haare auf dem Hinterkopf zu einem Zopfnest verflochten, das in die voluminöse Haarmasse eingebettet ist. Die Trennung der Stirnhaarpartie vom Haupthaar verbindet die Frisur noch mit der Mode spätantoninischer Zeit.

Das für solche Frisuren nötige Haarvolumen ist mit natürlichem Haarwuchs kaum zu erreichen. Es wurden aber nicht nur Teile von Fremdhaar eingearbeitet, wie schon zuvor. An einigen Frauenporträts ist vielmehr zu erkennen, dass die gesamte Frisur als Perücke aufgesetzt wurde. Unter deren Rand können Strähnen des eigenen Haares herauszipfeln, wie die dünnen Strähnen auf den Wangen des Porträts in Kopenhagen.

Die Grundform der in severischer Zeit aufkommenden Modefrisur kann verschieden abgewandelt werden. Ein Beispiel ist ein Frauenporträt in Kopenhagen. Die Haare hängen hinter den Ohren zunächst schlaufenförmig herab, bevor sie aufgenommen und zu einem länglichen Zopfnest verflochten sind.

In der weiteren Entwicklung des 3. Jahrhunderts n.Chr. wurden die Haare häufig nicht zu einem Knoten gelegt, sondern in einem Netz aus Flechtsträhnen oder zu einem breiten Zopf zusammengefasst. Dieser Zopf wurde am Hinterkopf senkrecht hochgeführt. An einigen Porträtköpfen endet er am Wirbel, an anderen wird er als Scheitelzopf über dem Oberkopf weitergeführt. Das vordere Ende kann umgeschlagen werden.

Spätantike Frauenporträts

In der Göttinger Sammlung ist mit einem weiblichen Porträt aus Thessaloniki eine Spätphase dieser Mode vertreten. Bei diesem Porträt fächern die Haare hinter den Ohren seitlich breit aus; die Vorderkante des Scheitelzopfes liegt auf dem Oberkopf. Das Porträt zeigt, dass die immer seltener werdenden Porträts im 4. Jahrhundert n.Chr. zunächst die modischen Entwicklungen der Kaiserzeit bruchlos fortsetzen. Die Frau in Thessaloniki ist mit Alterszügen dargestellt, was bei spätantiken Frauenporträts öfter vorkommt.

Seit dem 5. Jahrhundert n.Chr. sind nur noch Porträts von Kaiserinnen überliefert, bei deren Darstellungen vor allem die Insignien ihres Ranges ins Bild gesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist das Porträt einer Kaiserin in den kapitolinischen Museen. Ihre Korpulenz, die ältlichen Züge und die glotzenden Augen sind keine wirklich individuellen Züge, sondern einem eigentümlichen Zeitideal verpflichtet, das bei dem gleichzeitigen Kaiserkopf in Kopenhagen wiederkehrt. Die Kaiserin trägt eine voluminöse Haube, wie sie auch bei nichtkaiserlichen Frauen seit dem frühen 5. Jahrhundert n.Chr. zu finden ist. Darüber liegt das von Perlen gesäumte Juwelendiadem der spätantiken Herrscher, das nun durch weitere perlengesäumte Bänder mit der Haube verbunden ist.

Fazit

Die Entwicklung römischer Frauenporträts kann an den Beständen der Göttinger Sammlung nur in groben Zügen nachgezeichnet werden. Doch zeigt schon diese kurze Übersicht, dass sie parallel zur Entwicklung der gleichzeitigen Männerporträts verläuft. Da allerdings die Frisurmode der Frauen durchgehend aufwendiger ist als bei Männern, ist es hier phasenweise möglich, eine dichtere zeitliche Abfolge zu ermitteln, wo bei Männerporträts über längere Zeiten nur wenige Veränderungen zu beobachten sind, so z.B. in antoninischer Zeit.

Da Frauenporträts stärker der Konvention zur Darstellung altersloser Schönheit unterliegen als gleichzeitige Männerporträts, ergänzen sie unsere Kenntnis der Möglichkeiten antiker Porträtideale in Zeiten, in denen Männerporträts Alterszüge und expressive Formen zeigen, besonders im 3. Jahrhundert n.Chr.

Im Lauf der Geschichte römischer Frauenporträts gibt es immer wieder Porträts, die nicht nur durch Modefrisuren und Details der Gesichtsmodellierung individualisiert sind, sondern auch Alterszüge tragen. Einige der hier vorgestellten Porträts gehören dazu. Sicher ist nur, dass weibliche Angehörige der regierenden Kaiser nicht mit Alterszügen dargestellt wurden. Doch unter den weiblichen Privatporträts gibt es Alterszüge bei Damen aus dem Adelsgrab der Licinier ebenso wie bei Frauen aus der Schicht der Freigelassenen. Was die Entscheidung für oder gegen eine zeitlos jugendliche Stilisierung bestimmte, ist noch nicht geklärt. Auch das Phänomen der Köpfe mit Modefrisuren auf nicht individualisierten Statuenkörpern bietet noch Ansatzpunkte für weitere kulturgeschichtliche Untersuchungen.

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