Porträts des 4. Jahrhunderts v.Chr.

Das Nebeneinander von individualisierten und nicht individualisierten Porträts ist auch während des 4. Jahrhunderts v.Chr. zu beobachten. Dabei waren die Orientierung an einer Norm und das Zurückdrängen des Individuellen in Athen möglicherweise besonders ausgeprägt. Für diese Auffassung spricht, dass dort selbst herausragende Persönlichkeiten mit konventionellen Statuenkörpern dargestellt wurden, die sie nicht in ihrer Besonderheit, sondern als Bürger charakterisierten.

Überlieferung

Die Überlieferung für die Porträts des 4. Jahrhunderts v.Chr. besteht auf der einen Seite aus zahlreichen Grabreliefs, vor allem aus Athen, die Originale dieser Zeit sind, und auf der anderen Seite aus rundplastischen Porträtköpfen und -statuen, die meist in römischen Kopien erhalten sind. Es empfiehlt sich, mit einer Betrachtung der originalen Grabreliefs zu beginnen. Sie bieten einen umfangreichen Überblick über die normierten Formen von Bildnissen im Athen des 4. Jahrhunderts v.Chr.; einige der in Kopien erhaltenen Bildnisse lassen sich gut mit ihnen vergleichen. Danach muss auch auf Porträts eingegangen werden, bei deren Gestaltung man über die Grenzen solcher normierten Bildnisse hinausging.

Die attischen Grabreliefs

Nach der Zäsur des Verbots aufwendiger Grabsitten im frühen 5. Jahrhundert v.Chr. setzte sich in Athen gegen 430 v.Chr. das Bedürfnis wieder durch, Grabmonumente mit den Figuren der Verstorbenen zu errichten. Der Brauch griff schnell um sich, es wurden in großer Zahl Grabmonumente hergestellt. In den Jahren 317/07 v.Chr. wurden sie durch ein Grabluxusgesetz wieder verboten. Die Produktion hörte daraufhin ganz auf.

Aus der Menge des Erhaltenen ist zu schließen, dass es im 4. Jahrhundert v.Chr. breiteren Schichten als zuvor möglich war, Grabmonumente zu errichten. Meist sind in den figürlichen Darstellungen auf Grabreliefs und Marmorgefäßen, die die Grabbezirke schmückten, mehrere Mitglieder eines Haushalts versammelt. Sie sind nur in den wenigen sozialen Rollen beschrieben, die sie in der polis innehatten. Frauen sitzen oft auf Stühlen und sind so als im Haus und dem Haus zugehörig bezeichnet, so auf einem Relief in Berlin. Bei den Männern sind drei Altersstufen unterschieden: die bartlosen Epheben und jungen Männer mit kurzem Haar, die erwachsenen Männer mit kurzem Haar und Bart und alte Männer mit längerem Haar und Bart. Alle Männer können ohne Attribute im Himation einfach als Bürger auftreten. Der lange Stock, auf den sie sich stützen können, ist das Attribut des Mannes, der sich außer Haus aufhält, vor allem auf der Agora.

Panzertracht kann auf abgeleistete militärische Pflichten hinweisen. Die Gebrechlichkeit alter Männer wird durch gebeugte Haltung oder durch das sonst bei Männern nicht übliche Sitzen veranschaulicht.Obwohl viele Figuren eingeritzte Namensbeischriften tragen, sind ihre Züge fest an Normen gebunden. Es gibt weder individualisierende Züge noch Mimik. Erst im späteren 4. Jahrhundert v.Chr. sind Hintergrundsfiguren mit Falten im Gesicht zu finden. Sie stellen offenbar ältere Angehörige dar, die um Jüngere trauern. Ihre von leichten Falten durchzogenen Gesichter sind sowohl als gealtert wie auch als mimisch bewegt zu verstehen.

Epheben und junge Männer können nackt und mit Sportgerät erscheinen, ein Hinweis auf ihre Ausbildung im Gymnasion. Das bekannte qualitätvolle Grabrelief ‚vom Ilissos‘ in Athen zeigt als Hauptfigur einen solchen jungen Mann, der von seinem alten Vater mit kummervoll verzogener Stirn betrachtet wird. Entsprechend ist die Statue des Agias aus der großen Familiengruppe des Daochos, Tetrarch und Lokalherrscher von Thessalien in Delphi aus den Jahren um 330 v.Chr. gestaltet. Agias war der Großvater des Stifters und der erste Thessalier, der in Olympia im Pankration gesiegt hatte. Er ist hier als junger Mann und in sportlicher Nacktheit dargestellt.

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AgiasGrabstatuen  

Porträts des 4. Jahrhunderts v.Chr. und die Kopftypen der Grabreliefs

Die athenischen Porträtstatuen des 4. Jahrhunderts v.Chr. brachten weiterhin zum Ausdruck, dass die wesentliche Rolle des Menschen seine Position in der Bürgergemeinschaft war. Individuelle Züge waren dem nachgeordnet. Lange Zeit waren weder gewöhnliche Berufe noch außergewöhnliche Leistungen oder Ruhm als Philosoph, Politiker oder Schriftsteller Grund genug, von der allgemein gültigen Norm abzuweichen.

Viele der benennbaren und nicht benennbaren Porträts, die in römischer Zeit kopiert wurden, zeigen große Übereinstimmungen mit den unpersönlichen Köpfen auf den athenischen Grabreliefs. Ein besonders schlagendes Beispiel ist das in mehreren Kopien überlieferte Porträt eines Unbekannten, der von einem Grabreliefporträt der Jahre um 330 v.Chr. nicht zu unterscheiden ist.

Sokrates, Typus II

Das Porträt des Sokrates aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr. lässt gut erkennen, wie ein individualisiertes Porträt auf der Basis eines solchen Typus entstand. In der Kopfform und in der Führung von Haarsträhnen und Bart entspricht es weitgehend Grabreliefköpfen, wie einem Fragment im Athener Nationalmuseum. Die aufgeworfene Nase, die Halbglatze, Falten auf der Stirn und in den Augenwinkeln sind als individualisierende Elemente in diesen Rahmen eingefügt. Diese Züge konnten von dem früheren Porträt des Sokrates aus den Jahren um 380 v.Chr. übernommen werden.

Platon

Besonders interessant ist in dieser Beziehung das Porträt des Philosophen Platon (428-348 v.Chr.), das auf den ersten Blick den Gesichtsausdruck tiefen Nachdenkens trägt. Ob das Bildnis erst nach dem Tod Platons oder einige Zeit vorher entworfen wurde, ist unbekannt. In jedem Fall entstand das Porträt, nachdem Platon in ein Alter gekommen war, in dem man in Athen als Greis galt. Zeichen hohen Alters sind jedoch nicht zu erkennen. Nur leichte Falten an der Nasenwurzel, auf der Stirn und in den Augenwinkeln sowie etwas eingefallene Wangen geben ihm ein leicht gealtertes und eventuell nachdenklich gemeintes Aussehen. Denn zeitgenössische Quellen bezeugen, dass tatsächlich Stirnfalten als Zeichen von Nachdenklichkeit verstanden werden konnten (Xen.symp. 8,3; Isokr. Dem. 1,15). Das verhältnismäßig kurze Haar Platons ist auf den Grabreliefs die für Männer mittleren Alters übliche Frisur, Greise trugen längeres Haar. Platon war also als Bürger mittleren Alters wiedergegeben. Als charakteristische Besonderheit hat er leichte Alterszüge und Denkfalten. Vielleicht wies auch die besondere Länge seines Bartes auf den Philosophen hin. Sein Porträt unterscheidet sich damit nur leicht von den Kopftypen der Grabreliefs wie den oben gezeigten Beispielen.

Eine verblüffende Ähnlichkeit besteht zwischen dem Platonporträt und dem frontalen Kopf der Hintergrundsfigur eines Grabreliefs in Kopenhagen. Um das Grabmal des Platon kann es sich nicht handeln, da die frontalen Hintergrundsfiguren, wie oben bemerkt, in der Regel Nebenfiguren in Familiengruppen sind. In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v.Chr. wurden sie häufig mit leichter Trauermimik dargestellt, die der nachdenklichen Miene Platons nahekommt. Es ist bisher unklar, ob die Beziehung zwischen dem Grabreliefkopf und dem Porträt Platons vor allem als Zeugnis für die gleichartige Typisierung in den Gattungen der Grabreliefs und Porträtstatuen zu werten ist, oder ob sich die Bildhauer der Grabreliefs für die Gestaltung der Hintergrundsfiguren Anregungen bei bekannten, schwach individualisierten Porträts holten.

Aristoteles

Das Porträt des Aristoteles (384-322 v.Chr.), das möglicherweise nach seinem Tod entstand, stammt aufgrund der schrägen Stellung des Halses von einer sitzenden Figur. Es bewegt sich noch weitgehend, aber doch in geringerem Maße als das Porträt Platons, in dem Rahmen, den die Köpfe auf den Grabreliefs abstecken. Auch hier kann die Gegenüberstellung mit dem Kopf einer Hintergrundsfigur auf einem Fragment in Athen dies verdeutlichen. Anders als der dort Dargestellte trägt Aristoteles strähniges längeres Haar, eine Tracht alter Männer. Aber die Gesamtform des Kopfes, die breite Schläfenzone, die etwas eng stehenden Augen und die Wangen, die über dem Ansatz des Vollbartes einfallen, haben große Ähnlichkeit. Durch die welkere Haut, die kleinteiligeren Falten und die Tränensäcke ist Aristoteles allerdings deutlich als älter gekennzeichnet. Der um den Mund herum geschnittene Bart und die kleinen Augen sind Züge, die besonders von den Normen abweichen.

Platon wurde achtzig Jahre alt, Aristoteles sechzig. Nimmt man an, dass das Porträt Platons nicht sehr lange vor dessen Tode entstand, als er ein sehr bekannter Mann war, zeigt der Unterschied in den individualisierenden und mimischen Zügen wohl etwas von den möglichen Veränderungsprozessen im Porträt des 4. Jahrhunderts v.Chr.

Zwei weitere Vergleiche können die Stellung des Porträt des Aristoteles zwischen Normierung und Individualisierung weiter illustrieren. Der Kopf einer Statue im Himation aus Kos aus den Jahren um 300 v.Chr. wirkt fast wie eine vereinfachte und leicht verjüngte Wiedergabe derselben Person. Umgekehrt wirkt das zerschlagene und verschwollene Gesicht eines Siegers im Boxkampf in Olympia aus der Zeit um 330 v.Chr. nur auf den ersten Blick ganz andersartig als das des Aristoteles: Grundproportionen des Gesichts und des Verhältnisses von Haar und Bart sind dennoch sehr ähnlich.

Statuentypen und Bürgerbild

Ebenso wie die Köpfe variieren die Körper von Bildnissen nur wenige feste Typen. An zwei Beispielen kann gezeigt werden, dass es auch bei der Darstellung der Körper vielfach darauf ankam, die Porträtierten als vorbildliche Bürger zu kennzeichnen und auf Besonderheiten zu verzichten. Jedenfalls gilt das für Athen.

Sophokles aus einer Statuenstiftung im athenischen Dionysostheater

Wohl in den dreißiger Jahren des 4. Jahrhunderts v.Chr. stiftete der traditionsbewusste Politiker Lykourgos, der auf vielen Gebieten den alten Glanz der polis Athen wiedererstehen lassen wollte, in das Dionysostheater Statuen der drei großen Tragiker des 5.Jahrhunderts v.Chr.: Aischylos, Sophokles und Euripides.

Vielleicht sind alle in Kopien überliefert. Nur Sophokles ist in einer Statue im Vatikan und mehreren Kopfrepliken identifiziert. Sophokles starb als neunzigjähriger Greis 406/5 v.Chr., noch in vollem Schaffen. Anders als einst Homer ist er jedoch in diesem fiktiven Porträt in mittlerem Alter dargestellt. Die Statue enthält keinen Hinweis darauf, dass er Dichter war. Er ist vielmehr in eleganter Pose und in einer modernen Manteldrapierung nur als Bürger dargestellt. Der eng in den Mantel gewickelte Arm galt als Zeichen beherrschter Haltung: schon Knaben war dies als anständige Haltung vorgeschrieben, Redner sollten so auftreten.

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Sophokles Aischin. Tim. 25 

Aischines

Die Normhaftigkeit dieser Statuen zeigt sich besonders in der Übereinstimmung der Statue des bekannten Redners Aischines (390- ca.315 v.Chr.) mit der des Sophokles. Die Statue entstand vermutlich nach dem Tod des bekannten Redners. Dem Stil ihrer Zeit entsprechend ist sie in weniger schwungvoller Haltung wiedergegeben als Sophokles, stimmt aber sonst weitgehend mit diesem überein. Auch der Kopf ist kaum individualisiert: ausgeglichen in den Proportionen, von mittlerem Alter, mit wenig Mimik. Aber Nuancen mögen sehr deutliche Botschaften enthalten haben. Als persönliche Züge sind die Glatze und möglicherweise das besonders elegant gelockte Haar sowie die Angabe des Chitons unter dem Mantel zu deuten. Der Chiton wurde von Männern im Alltag immer schon getragen. Aber bis zur Zeit des Aischines und darüber hinaus wurde er nicht dargestellt, gemäß der alten Darstellungskonvention, die den trainierten Körper betonte. Die Männer schienen das Himation auf der nackten Haut zu tragen. Die Grabreliefs liefern auch dafür reiches Anschauungsmaterial. Erst im Hellenismus wurden Männer häufiger mit Chiton und Mantel dargestellt. Unabhängig von den Darstellungskonventionen waren zur Zeit des Aischines elegante Chitone ein Thema des Streits um übertriebene oder angemessene Eleganz. Als Stellungnahme in solchen Diskussionen mag Aischines mit Chiton dargestellt worden sein.

Die Statue des späteren Sokrates-Typus

Auch die Statue des späteren Sokrates-Typus, dessen Zusammenhang mit den Bürgerbildnissen der Grabreliefs schon aufgezeigt wurde, entspricht ganz und gar dem harmonischen Bürgerbild ohne jeden Hinweis auf eine besondere Form der Tätigkeit.

Außergewöhnliche Bildnisse

Das erste Sokratesporträt, ein Konstrukt

Das erste Porträt des Sokrates muss − wie schon das frühe Porträt des Homer, aber auch das späte Porträt des Sophokles − ein Konstrukt gewesen sein. Von ihm ist nur der Kopftypus bekannt, der durch seine satyrähnliche Physiognomie eindeutig zu identifizieren ist. Aus stilistischen Gründen wurde der Kopf immer dem ersten Viertel des 4. Jahrhunderts v.Chr. zugewiesen.

Sokrates wurde 399 v.Chr. hingerichtet, wegen angeblicher Asebie, der Verletzung des Respektes gegen die Götter. Für manche der folgenden philosophischen Richtungen, aber besonders für die Schule Platons wurde er zur Leitfigur. In der 386 v.Chr. gegründeten Akademie Platons stand eine Statue des Sokrates. Das Sokratesporträt könnte auf diese Statue zurückgehen.

Aus den Zeugnissen der Zeitgenossen, vor allem des Platon und des Xenophon, geht hervor, dass Sokrates auffallend hässlich war. Er soll wulstige Lippen, hervorquellende Augen, ein breites Gesicht und ungepflegte Haare gehabt haben. Man verglich ihn mit Silenen und Satyrn (s.u.). In diesem ersten Sokratesporträt ist das abnorme Äußere des Sokrates thematisiert und in der Form eines Motiv-Zitats verwirklicht. Das breite Gesicht, die Halbglatze und die breite aufgeworfene Nase sind der Silensikonographie entnommen, wie sie die abgebildete Münze der Stadt Katane (Catania) aus dem späten 5. Jahrhundert v.Chr. repräsentiert. Im Vergleich zu den wahren Silenen sind Bart und Haar allerdings gepflegter, die Mimik sehr zurückhaltend, die Lippen dick, aber nicht im Übermaß.

Der Kontext vorausgehender und folgender Porträts in Athen hat zu einer faszinierenden Deutung des Bildnisses geführt: Demnach wurde in dem Porträt, das in jedem Fall den Zweck hatte, Sokrates positiv zu kennzeichnen, Sokrates bewusst in normwidriger Hässlichkeit dargestellt. Damit wurde einerseits seine herausfordernde, die Athener provozierende Persönlichkeit angesprochen. Zugleich wurde der damals allgemein bekannter Vergleich des Sokrates mit einem Silen aufgenommen, der jedoch bei Platon und Xenophon jeweils ins Positive gewendet ist (Platon, Symp. 215a-216d; Xenophon, Symp. 5, 5-8). Bei Platon wurde das Bild als Beispiel für den Gegensatz von hässlichem Äußeren und schönem Inneren benutzt. Mit dieser Konnotation entsprach die Darstellung des Archegeten der platonischen Philosophie einer der Kernvorstellungen der platonischen Philosophie, dem Gegensatz von Schein und Sein. Dies machte das Bildnis besonders geeignet für die platonischen Akademie.

Das im späteren 4. Jahrhundert v.Chr. entstandene zweite Porträt des Sokrates wurde oben schon betrachtet. Es mildert das Provokative ab und macht Sokrates stärker zu einem gepflegten Bürger.

‚Realistisch‘ arbeitende Porträtbildhauer des 5. oder 4. Jahrhunderts v. Chr.?

„Aber wenn du eine Bildsäule neben dem Brunnen gesehen hast, mit etwas vorhängendem Bauche, kahl, nur halb bekleidet, mit einem Barte, von dessen Haaren der Wind einige zu bewegen scheint, und mit sehr stark angedeuteten Adern, kurz, das so ganz der Mann selbst ist, den es vorstellt, von diesem rede ich: Man glaubt, dass es der alte korinthische Feldherr Pelichos sei.“  

Lukian, Philopseudolos 18

Die antike Literatur berichtet mehrfach von den realistischen Arbeiten eines Demetrios von Alopeke. Besonders erwähnt sie die Statue eines korinthischen Feldherrn Pelichos von der Hand dieses Bildhauers, die durch Dickbäuchigkeit, schütteres Haar und heraustretende Adern besonders realistisch gewirkt zu haben scheint. Verschiedene Kombinationen des Demetrios mit bezeugten athenischen Bildhauern dieses Namens sowie Versuche, Pelichos mit bekannten Persönlichkeiten zu identifizieren, haben zu Datierungen des Bildhauers ins 5. Jahrhundert v.Chr. geführt.

Er würde damit Möglichkeiten ‚realistischer‘ Porträtgestaltung in Athen repräsentieren, wie sie für andere Bereiche der griechischen Welt durch das Porträt von Porticello bezeugt sind. Doch gibt es auch Zweifel an dieser frühen Datierung und Argumente für einen Ansatz im späteren 4. Jahrhundert v.Chr., wo diese Gestaltung nicht mehr befremdlich wirken würde.

Erweiterung des Spektrums der Porträts des 4.Jhs.v.Chr.: Die unbenannten Porträts des 4. Jahrhunderts v.Chr. und ihre möglichen Aussagen

Für die Untersuchung weiterer Intentionen und Möglichkeiten der Porträtgestaltung im 4. Jahrhundert v.Chr. steht unter den in römischen Kopien überlieferten griechischen Werken noch reiches Material zur Verfügung. Seine Nutzung wird allerdings durch die Frage der Datierung der Vorbilder behindert, die sich allein auf stilistische Argumente stützen kann. Einige in römischen Kopien überlieferte Porträts tragen Namen von Persönlichkeiten des 4. Jahrhunderts v.Chr. Manche gelten als Kopien nach zeitgenössischen Originalen, andere könnten aber auch retrospektive Konstrukte im Stil des 4. Jahrhunderts sein. Daneben gibt es in römischen Kopien überlieferte Porträts, die keine Namen tragen und deren ursprüngliche Entstehungszeit offen ist.

Als Beispiel sei das Porträt eines älteren Mannes mit vollem Bart und wild verwehtem Haar in Neapel genannt, dessen griechisches Vorbild offenbar auf einer Panzerstatue saß. Gehörte es dem 4. Jahrhundert v.Chr. an? Ein besonderes methodisches Problem entsteht in diesem und ähnlichen Fällen dadurch, dass die Einordnung von Skulpturen aufgrund stilistischer Argumente eher gelingt, wenn die Objekte normierten Werken besonders nahe stehen, die in ihrer stilistischen Abfolge gut analysiert sind, wie die Figuren auf den Grabreliefs und deren Köpfe. Je eigenständiger und damit interessanter einzelne Bildnisse gestaltet sind, desto schwerer sind sie datierbar.

Schließlich fragt sich immer wieder, wie weit spätere Kopien im mimischen Ausdruck durch die Vorstellung ihrer Entstehungszeit bestimmt wurden. Kann das originale Porträt Philipps II von Makedonien eine auch nur annähernd so energische Mimik gehabt haben wie auf dem Goldmedaillon von Tarsos? Hätte er − ohne die verschwollenen Züge − ähnlich aussehen lkönnen wie der Boxer von Olympia? Oder ist die Mimik Philipps auf dem Medaillon weitgehend vom Geschmack des Kopisten des frühen 3.Jhs. n.Chr. bestimmt?

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 Alexander d. Gr.