Die Überlieferung der Herrscherbildnisse

Alle hellenistischen Herrscherdynastien bis ins ferne Baktrien (im heutigen Afghanistan) haben Münzen mit den Porträts der Regenten geprägt. Diese vermitteln einen weitgehenden Eindruck von den Porträts der Herrscher. Schwieriger steht es mit der Überlieferung der rundplastischen Porträts, ganz zu schweigen von der fast ganz verlorenen Malerei. Das bevorzugte Material für Herrscherstatuen war Bronze, so dass sie in späteren Zeiten meist eingeschmolzen wurden; kaum ein Bronzedenkmal blieb davon verschont.

Da die hellenistischen Könige für die Bildungsinteressen der Römer weniger interessant waren als die griechischen Literaten und Philosophen, wurden ihre Porträts nicht oft kopiert. Einer der seltenen römischen Überlieferungskontexte für solche Herrscherbilder ist die Villa dei Papiri bei Herculaneum. Im Garten dieser Villa aus dem 1. Jahrhundert v.Chr. standen entlang einem Wasserbecken eine ganzen Reihe von Hermen mit Kopien der Porträts bekannter hellenistischer Herrscher der ersten Diadochengenerationen, darunter die des Seleukos I, des Demetrios Poliorketes und des Philetairos von Pergamon.

Vielfach kann man sich für die Kenntnis der hellenistischen Herrscherporträts jedoch auf originale hellenistische Bildnisse stützen. Die überlieferten Marmorporträts haben unterschiedliche Aussagekraft. Denn viele sind kleinformatige Porträts einfacher Qualität, die lokalen Formen der Herrscherverehrung dienten. Hinzu kommt, dass Marmor im Hellenismus noch nicht wie später in unbegrenzten Mengen zur Verfügung stand – in Ägypten gab es sogar keine lokalen Ressourcen – so dass ein− oder mehrfache Wiederverwendung üblich war. Viele Porträts weisen daher kaum erkennbare individuelle Züge auf. Beides gilt wiederum in besonderem Maße für Ägypten, wo mehr Porträts hellenistischer Herrscher gefunden wurden als in allen anderen hellenistischen Reichen zusammen.

Zwei Ptolemäerporträts sind geeignet, die durch Marmormangel und einfache Qualität verursachten Probleme zu beleuchten, obwohl sie zu den stark individualisierten und aussagekräftigen Beispielen gehören. Das lebensgroße Porträt des Ptolemaios I aus Ägypten in Kopenhagen ist aus einem Reststück Marmor hergestellt, das es erforderte, an allen Seiten anderes Material anzustücken. Die Wiedergabe höchst markanter individueller Züge ist in diesem Fall nicht beeinträchtigt. Die 21 cm hohe Marmor−“Büste“ des Ptolemaios III in Alexandria gehört zu den handwerklich einfach ausgeführten Beispielen in kleinem Format. Ihr fehlt das Material für den Hinterkopf, und sie war einst in eine Statuette aus anderem Material eingesetzt. Trotz der bescheidenen Qualität sind auch in diesem Fall noch typische Züge wie die Fülligkeit des Gesichts und die Fettfalten am Hals ausgeführt.

Möglichkeiten der Identifizierung und Benennung

Insignien und Tracht

Porträts hellenistischer Königinnen und Könige sind am einfachsten am Königsdiadem erkennbar. Dieses Königsdiadem war ein weißes Stoffband von einiger Breite, das Anteile von Purpur haben konnte. Es wurde um den Kopf gelegt und hinten verknotet. Das Diadem wurde durch Alexander d.Gr. als Königsinsigne eingeführt. Die antike Literatur behauptet, er habe es von den Persern übernommen. Doch ist dies an den überlieferten Denkmälern nicht zu verifizieren und wird deshalb neuerdings bestritten.

Wichtig waren auch die langen Enden des Diadems, die im Nacken herabhingen. Sie sind immer gerade abgeschnitten und tragen oft Fransen, die man an einem Porträt Jubas II von Mauretanien (25 v.Chr.−23 n.Chr.) in Kopenhagen gut erkennt. Die Form der Diademenden ist seit frühhellenistischer Zeit bezeugt, es gibt davon nur eine plausible Ausnahme. An dieser Form kann man das Königsdiadem von anderen Binden unterscheiden. Auf den Münzen liegen die langen Enden oft auffällig über den Schultern der Könige oder sie flattern, als seien sie vom Wind erfasst. Bei rundplastischen Darstellungen fehlen sie meist. Bei Bronzeporträts waren sie oft lose angesetzt und sind verloren. Bei Marmorporträts konnte ganz auf ihre Darstellung verzichtet werden, weil es diffizil war, sie frei zu arbeiten. Die Königsporträts sind im übrigen nicht immer mit dem Diadem ausgestattet. Das Fehlen des Insigne ist deshalb kein sicherer Hinweis darauf, dass ein Porträt kein Königsporträt ist.

Die Könige hoben sich von ihrer Umwelt auch durch die Purpurfarben ihrer Kleidung ab, vor allem durch eine purpurne Chlamys und einen teilweise purpurnen Chiton. Dies war bei antiken Marmorstatuen durch Bemalung angegeben. Außerdem wurden die Porträts hellenistischer Herrscher vielfach mit Götterattributen ausgestattet, die sie von nichtköniglichen Porträts unterscheiden.

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Herrscherstatuen
  

Einzelwerke oder Bildnistypen?

Die Frage der Benennung stellt sich sowohl für die durch das Diadem als königlich gekennzeichneten Porträts wie für Porträtdarstellungen, die kein Diadem tragen. Da die Bildnisse hellenistischer Könige ähnlich wie die der römischen Kaiser in Mengen (wenn auch sicher nicht so großen) verbreitet waren, wäre es denkbar, dass sie schon auf dieselbe Weise hergestellt und verbreitet wurden wie jene: Es wird ein offizieller Entwurf hergestellt, den die Werkstätten mechanisch kopieren können. Dieses Herstellungsverfahren hilft zugleich bei der Identifizierung von Herrscherporträts. Denn wenn sich mehrere Kopien nach demselben Entwurf feststellen lassen, kann man davon ausgehen, dass es sich um ein weit verbreitetes Herrscherporträt handelt. Die Benennung solcher Porträts ist dann durch den Vergleich mit Münzbildnissen möglich, die nach denselben Entwürfen hergestellt wurden.

Tatsächlich sind hellenistische Königsporträts nachzuweisen, die als Kopien auf denselben Entwurf zurückzuführen sind. Ein Beispiel sind die Porträts des Ptolemaios VI (mit Unterbrechungen 180−145 v.Chr.) in der Skulptur und auf Münzen. Doch das Verfahren wurde nicht durchgehend angewandt, und es scheint, als ob manchmal auf den Münzen zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Porträtentwürfe für denselben Herrscher verwendet wurden. Entsprechendes dürfte bei den rundplastischen Porträts der Fall gewesen sein.

Weitere Schwierigkeiten bringen das kleine Format und die einfache Qualität vieler Porträts mit sich. Methodisch sind die Möglichkeiten der Identifizierung deshalb sehr beschränkt. Der Vergleich von einzelnen Köpfen mit Münzen und von Köpfen untereinander sowie das Feststellen der wenigen Repliken führt nur begrenzt zu Ergebnissen. Weil die Materialgrundlage mehr nicht zulässt, können Benennungsversuche der bekannten Porträts nur noch selten zu neuen sicheren Ergebnissen führen. Darum sollte die – zweifellos reizvolle – Frage der Benennung hellenistischer Herrscherporträts in den Hintergrund treten. Viele historische Informationen lassen sich mit Hilfe dieser Porträts auch gewinnen, ohne dass diese benannt werden müssen.

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