Körper und Gruppen

Großformatige Statuen hellenistischer Herrscher in griechischem Stil können bisher (mit Ausnahme eines Beispiels in Kairo) nicht sicher nachgewiesen werden. Eine Vorstellung von den Darstellungsformen lässt sich jedoch aus schriftlichen Nachrichten, den Darstellungen Alexanders d.Gr. und aus den ganzfigurigen Königsbildern in kleinem Format gewinnen. Sie sind durch klar definierte Rollen und durch die Situation in den multikulturellen Reichen bestimmt.

Das Erscheinungsbild der Könige wird vor allem vom militärischen Charakter ihrer Herrschaft bestimmt und ist dem alten Gedanken der kalokagathia verpflichtet, der einen leistungsfähigen Körper fordert. Andere Aspekte wurden durch eine Ausstattung mit Götterattributen, durch Gruppenkompositionen und in der Flächenkunst durch allegorische szenische Darstellungen zum Ausdruck gebracht.

− Stehend oder zu Pferd waren die Herrscher am häufigsten dargestellt. Panzertracht kennzeichnete sie als Feldherren – wie Alexander auf den Porosprägungen aus seiner Lebenszeit.

− Nackte Statuen mit Lanze und Schwert müssen sehr verbreitet gewesen sein. In alter klassischer Tradition wiesen sie immer noch auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Herrscher hin, die für militärische Einsätze nötig war. Eine Vorstellung von solchen Herrscherfiguren können Dioskurenstatuetten aus Ägypten geben, die entsprechende Alexandertypen reproduzieren. Beispiele für dieses Schema sind zwei als beinahe spiegelsymmetrische Gegenstücke gearbeitete Dioskurenstatuetten aus Bronze in Stuttgart, die aus Ägypten stammen. Sie tragen die typischen Mützen der Dioskuren, auf denen einst ein Stern aufgesetzt war. Sie stehen in ausladendem Kontrapost, mit starkem Körperschwung und weit auseinandergesetzten Füßen. Die jeweils erhobene Hand stützte sich einst auf eine Lanze, mit der anderen halten sie ein Schwert in der Scheide. Entsprechende Statuetten Alexanders des Großen haben sich erhalten. In Verbindung mit Götterattributen wurden solche Körper der Herrscher leicht zu Götterkörpern.

− In Chiton und Mantel, der Alltagstracht der Bürger griechischer Städte, wurden Könige wahrscheinlich seltener dargestellt.

− Götterattribute an Porträts von Königen waren sehr verbreitet. Es gibt sie in zahlreichen Varianten und mit spezifischen Motiven für die verschiedenen Dynastien und Lokaltraditionen. Die vielfältigen Möglichkeiten der Verwendung werden in einem eigenen Kapitel vorgestellt. Hier sei erwähnt, dass diese Darstellungen nicht primär den Zweck hatten, die Könige zu Göttern zu machen, als vielmehr Metaphern einer Bildrhetorik waren. Sie sollten ausdrücken, dass die Herrscher auf Gebieten Außergewöhnliches leisteten, für die die Götter, deren Attribute sie trugen, paradigmatisch waren.

Inwieweit die Körper selbst individualisiert waren und bei älteren Herrschern etwas von ihrem Alter erkennen ließen, ist unbekannt. Kleinformatige Darstellungen zeigen durchgehend normierte jugendliche Körper. Anders als bei den römischen Kaisern, bei denen man selbst im höchsten Alter das Bildnis mit einem klassischen griechischen Körper kombinierte, ist eine raffinierte leichte Altersdarstellung bei nackten Körpern im Hellenismus denkbar. Gern wüsste man, wie eine nackte Statue des Antigonos Monophthalmos ausgesehen hat. Der einäugige Haudegen fiel 301 v.Chr. im Alter von 80 Jahren in der Schlacht von Ipsos. Vielleicht hätte die Statue einen ähnlich gealterten, aber mächtigen Körper gehabt wie eine (allerdings sitzende) Dichterfigur in Kopenhagen, deren Vorbild um 200 v.Chr. entstanden sein mag.

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Herrscherstatuen
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Gruppenkompositionen

Die Königsbilder wurden nicht nur als Einzelfiguren aufgestellt, sondern vielfach auch in Gruppenkompositionen. Prominent waren dabei Familiengruppen, die die lebenden Herrscher mit ihren Vorfahren vereinten. Die Aussage, die mit der Wahl eines Figurentypus und der Ausstattung mit Attributen gemacht wurde, konnte dabei erweitert werden. In allegorischen Gruppen wurden die Zusammenstellung der Herrscher mit Personifikationen und Halbgöttern bestimmte Aspekte der Verdienste und Ehrungen betont.

Von dem großen Festzug, den Ptolemaios II im Jahr 279 v.Chr. bei der Einrichtung eines Kultfestes für seine divinisierten Eltern veranstaltete, ist eine ausführliche Beschreibung überliefert. Dort wurde u.a. eine Statuengruppe von Alexander und Ptolemaios I gezeigt. Neben Ptolemaios standen die Personifikationen der arete (Tapferkeit, Leistungsfähigkeit) mit einem Kranz und der Stadt Korinth (Athen., Deipn. 5, 201 d). Sicher hat dabei arete den Ptolemaios bekränzt. Reflexe solcher Kompositionen haben sich mehrfach erhalten.

Ein eindrückliches Beispiel ist ein Pilasterkapitell der Jahre um 200 n.Chr. in Beirut. Auf ihm ist links ein hellenistischer König mit kurzem Haar und Diadem zu sehen, der an einem Altar opfert. Er wird von einer Siegesgöttin bekränzt. Rechts steht die Personifikation der Hauptstadt Antiochia, die eine Figur des Stadtgottes Apollon von Daphne im Arm hält. Das Relief geht wohl auf eine Figurengruppe oder ein Tafelbild zurück, das Seleukos I feierte, den Gründer von Antiochia.

Auf dem Relief des Archelaos in London mit der sog. Apotheose des Homer tritt ein hellenistisches Herrscherpaar in Gestalt von Personifikationen des chronos (Zeit/Ewigkeit) und der oikumene (bewohnte Welt) auf. Sie bekränzen den thronenden Dichter. Neben den Attributen, die ihm in dieser Rolle zustehen, trägt der Mann noch das Königsdiadem, was seine Identifizierung als König sichert. Zusammen mit der Figur des Stifters, weiteren Personifikationen, Musen und Göttern in einer Felslandschaft fügen sich diese Porträtfiguren in das Bild eines idealen Heiligtums des Homerkultes ein. Die sehr gelehrte Figurenzusammenstellung lässt sich nur mit Hilfe der Beischriften der Figuren entziffern. Ebenso wurden kompliziertere Historienbilder und allegorische Kompositionen in Malerei ausgeführt.

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 Interpretation
Herrscherstatuen
Athen. Deipn. 5, 201 d