Kontexte, Bildmedien und Funktionen hellenistischer Königsporträts

In den Königreichen, die nach dem Tod Alexanders d.Gr. entstanden, konnten Bildnisse und mit Bildnissen geschmückte Gegenstände von den Königen selbst zur Repräsentation verwendet werden. Zum größeren Teil aber wurden sie von anderen zu ihren Ehren in Auftrag gegeben. Dies erfolgte in unterschiedlichen Medien mit unterschiedlichen Funktionen.

Münzen

Von den Königen selbst veranlasst wurde ihre Darstellung auf den Vorderseiten der in ihren Reichen gültigen Münzen. Sie nahmen damit eine Praxis auf, die in den Fürstentümern am Rand des persischen Reiches üblich gewesen war. Die Herrscherporträts traten damit an die Stelle der alten Schutzgötter, aber auch mancher traditioneller Erkennungszeichen der poleis. Die Übertragung der Herrscherbilder auf die Münzen war deshalb nicht, wie manchmal in der Forschung vorgeschlagen, eine Folge ihrer Vergöttlichung, die es ermöglichte, dass die Bilder der Könige die Götterdarstellungen auf den Münzen ersetzten. Die Könige fungierten durch ihr Bildnis eher als Garanten der Sicherheit und Integrität ihrer Reiche sowie des Wertes der Münzen. Anders als in der römischen Kaiserzeit erschienen aber nicht alle Könige mit Regierungsantritt auf den Münzen. In manchen Königreichen, so in Pergamon und bei den Ptolemäern, wurde während der ganzen Laufzeit der Dynastie das Bild des Dynastiegründers auf den normalen Prägungen beibehalten. Auf diese Weise waren Erkennbarkeit und Wert der Nominale garantiert.

Nur wenn Sonderprägungen in Edelmetall ausgegeben wurden, wählte man in diesen Reichen andere Münzbilder. Das konnten auch die Darstellungen des lebenden Regenten sein. Manchmal stand deren Darstellung in direktem Zusammenhang mit dem Anlass der Prägung.

Ein Beispiel bieten die Münzen des Ptolemaios III (246−221 v.Chr.), die ihn mit Dreizack, Ägis und Strahlen des Sonnengottes zeigen. Nachweislich wurden diese Münzen von seinem Sohn Ptolemaios IV (221−204 v.Chr.) im Zusammenhang mit dem 4. syrischen Krieg (217 v.Chr.) geprägt. In diesem Krieg trat Ptolemaios IV, noch ein ganz junger Mann, als Gegner des ebenfalls noch jungen und unbekannten Antiochos III auf. Beide Könige beschworen vor ihren Truppen die großen Taten der Vorväter, „da sie wegen ihrer Jugend nicht auf eigene Leistungen zurückblicken“ konnten (Polybios 5,83). Aus demselben Grund ließ Ptolemaios IV das Bild seines militärisch erfolgreichen Vaters auf die Münzen setzen, die den Sold− und später den Sonderzahlungen anlässlich des Sieges an die Soldaten dienten. In anderen Dynastien wiederum erschienen alle Herrscher auf den Münzen.

Die Könige sind auf den Münzen als Kopfporträts dargestellt, manchmal mit göttlichen Attributen versehen. Immer aber tragen sie das Herrscherdiadem, das in rundplastischen Darstellungen fehlen kann.

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 Skulptur & Münzen: griechischPolybios 5,83 

Siegelringe und -abdrücke

Königsbildnisse sind auf erhaltenen Siegeln und durch Siegelabdrücke auf gebrannten Tonklumpen überliefert, die als Reste verbrannter Papyrusarchive gefunden wurden. Auch Ringsteine mit Königsporträts sind nachgewiesen, z.B. eine verschollene Gemme mit dem Doppelporträt des seleukidischen Königspaars Laodike und Demetrios I (162−150 v.Chr.), die sich früher in einer Sammlung in Venedig befand. Abdrücke von ganz ähnlichen Gemmen mit Porträts des Königspaares sind bekannt. Die Bildnisse sind im Profil hintereinandergestaffelt. Demetrios I erscheint im Vordergrund mit dem Königsdiadem; Laodike trägt als Kopfschmuck eine Stephane.

Die nachweisbaren Gemmen mit Königsbild waren nicht die, mit denen die Könige selbst siegelten. Sie sind auch zu zahlreich erhalten, als dass derartige Siegelringe nur von königlichen Funktionären verwendet worden sein können. Es ist zu vermuten, dass Privatsiegel mit dem Bild des Königs als gebraucht wurden, um besondere Loyalität zu erweisen. Könige verschenkten auch Ringe mit ihrem Bildnis an bevorzugte Adressaten, so Ptolemaios VIII an Lucullus (Plut. Luc. 3,1).

Da jedes Siegel sich von anderen unterscheiden musste, findet sich auf Siegelabdrücken eine besonders große Zahl eigenwilliger Gestaltungen und Attribute von Königsbildnissen.

Kameen und andere Prunkgegenstände

Kostbare Sammlerstücke waren Reliefs und reliefierte Gefäße aus Halbedelstein, in deren verschiedenfarbige Schichten Reliefs hineingeschnitten sind. In den meisten Fällen wurde dafür indischer Sardonyx verwendet. Für Gesichter und Haut wurden die weißen Schichten dieses Steins genutzt. Die Gattung diente allein der Repräsentation. Viele dieser Steine wurden in fürstlichen Schatzkammern bis weit über das Ende der Antike hinaus weitergereicht und kamen so in die Museen von heute, ebenso wie ihre Nachfolger aus römischer Zeit. Ihrem exklusiven Charakter entsprechend finden sich auf Kameen phantasievolle Allegorien auf die Herrscher.

Ein solches kostbares hellenistisches Original ist ein Kameo in Wien, auf dem Ptolemaios II (285/3−246 v.Chr.) mit seiner Frau Arsinoe II dargestellt ist. Auf seinem Helm werden wichtige Aspekte des ptolemäischen Selbstverständnisses ins Bild gesetzt:

− auf dem Nackenschutz Ammon−Zeus von Siwa mit den typischen Widderhörnern als der göttliche „Vater“ Alexanders d.Gr., des Vorläufers der Ptolemäer

− auf der Wangenklappe das Blitzbündel des Zeus, der griechischen Erscheinungsform des Ammon, als Zeichen des Weltherrschers

− auf dem Oberkopf die Schlange Agathodaimon, der Schutzgeist Alexandrias

− als Helmbusch straußenfederähnliche Formen, die zu einer ägyptisierenden Krone gehören müssen. Die raffinierte Kopfbedeckung der Königin ist bis heute unerklärt geblieben.

Auch an Metallgeräten konnten Königsporträts angebracht werden. Auf einem bronzenen Medaillon aus Galjub (Nildelta) in Hildesheim ist eine Männerbüste angebracht, die die Keule des Herakles schultert. Der 1,5 cm hohe Kopf scheint Porträtzüge zu haben. Das Medaillon ist Teil eines Werkstattfundes, in dem unfertige Modelle, die auch zur Verarbeitung in Edelmetall genutzt werden konnten, in Bronze ausgegossen waren. Ein Medaillon wie dieses konnte an verschiedenen Arten von Geräten angebracht werden.

 Sammlung E-learning Quellen Literatur
 TheomorphesPlut., Luc. 3,1 

Ehrenbildnisse, Kultbilder und ihre Auftraggeber

Als Gattung, über die sich Beziehungen zwischen Herrschern und Beherrschten artikulierten, hatten die großformatigen Porträts auf öffentlichen Plätzen und in Heiligtümern die größte Bedeutung. Sie standen an wichtigen Plätzen dicht gedrängt. Einen Eindruck davon geben die Sockel solcher Statuen vor der Philippsstoa am Hauptweg zum Apollonheiligtum von Delos.

Zu Ehren der Könige errichtete Bildnisse konnten aus Edelmetall, Bronze und Marmor bestehen, wie erhaltenen schriftlichen Dekreten zu entnehmen ist. Aber auch Gemälde in kleinem oder größerem Format konnten ehrenden Charakter haben. Sie standen vorzugsweise auf öffentlichen Plätzen und waren an und in öffentlichen Gebäuden angebracht. Die Bildnisse teilten die Wechselfälle der Beziehungen zwischen poleis und Herrschenden. Sie wurden, meist auf Beschluss des Rats der Stadt, zu Ehren der Könige errichtet. Doch bei einer Verschlechterung der Beziehungen konnten sie beseitigt oder zu Porträts neuer Machthaber umgearbeitet werden. Bei erneut wechselnden Allianzen wurden sie eventuell wieder in ihren alten Zustand zurückverwandelt.

Unter den Weihgeschenken in Heiligtümern gab es Bildnisse der Könige – neben Darstellungen, die sich z.B. auf ihre militärischen Erfolge bezogen. Eine große Öffentlichkeit erreichten die Weihungen in den großen panhellenischen Heiligtümern. Die Königsporträts dort waren von Verwandten der Könige und von Mitgliedern des Hofes gewidmet, nicht von ihnen selbst. Die Könige selbst gaben höchstens Porträts ihrer Vorfahren in Auftrag.

Kulte für die hellenistischen Herrscher gab es in verschiedenen Formen. Am meisten verbreitet waren die Städtekulte, also Kulte, die die Stadtstaaten den Königen als Dank für erwiesene Wohltaten eingerichtet hatten. Dies kann nach modernem Verständnis als höchste Form der Ehrung gelten. Die Kulte und Kultbilder konnten eigene Gebäude oder Räume haben; sie wurden aber auch gern an vorhandene Kulte angeschlossen. Die Herrscherbildnisse wurden dann in Kultbauten von Gottheiten aufgestellt, als synnaoi (Tempelgefährten) der Götter. Doch konnten in Kultbauten auch Ehrenbildnisse stehen. Einfache Ehrungen und Kultehrungen waren eher graduell als qualitativ verschieden. Es gibt Dekrete, die denselben König zum selben Anlass sowohl mit Ehrenstatuen wie mit der Einrichtung eines Kultes ehren.

Eine weitere Form des Herrscherkults waren die Dynastiekulte. Sie waren von den Herrschern selbst für ihre verstorbenen Vorgänger eingerichtet worden, und oft waren Mitglieder der Herrscherfamilien deren Priester.

Eine besondere Variante der Herrscherkulte ist aus Ägypten bekannt. Dort war die Verehrung der Herrscher in den Privathäusern üblich. Mit diesem Kult in Häusern, vielleicht aber auch mit den öffentlichen Herrscherkulten in den zahlreichen Großdörfern des ptolemäischen Ägypten sind die kleinformatigen und oft schlecht gearbeiteten Herrscherbüsten und −köpfe zu verbinden, die zahlreich in Ägypten gefunden wurden. Ein Beispiel ist das Marmorbüstchen Ptolemaios III in Alexandria. Seine Höhe beträgt 21 cm. Es ist flüchtig gearbeitet und muss einst in eine kleine Statue aus anderem Material eingesetzt gewesen sein.   Unbekannt ist dagegen die Funktion meist qualitätvoller Bronzestatuetten der Ptolemäer. Waren sie Weihgeschenke oder Produkte von Werkstätten der großen Städte, die ebenfalls als Kultobjekte dienten?

Kulturell unterschiedliche Auftraggeber und Adressaten

Neben den griechischen Porträtstatuen der Herrscher gab es in verschiedenen Reichen auch solche, die den lokalen ikonographischen Traditionen entsprachen. Viele Darstellungen dieser Art sind aus Ägypten überliefert. Die ptolemäischen Könige und Königinnen sind hier in altägyptischem Schema, vielfach ganz ohne individualisierende Züge dargestellt. Die Hartsteinmaterialien, die man oft für diese Statuen verwendete, entsprachen ebenfalls einheimischer Tradition. Ein Beispiel ist eine Kalksteinstatue im Museum von Alexandria. Sie stammt aus Ashmunein/Hermopolis in Mittelägypten und wurde zusammen mit einer Inschriftbasis für Ptolemaios XII (76−51 v.Chr.) gefunden. Die Statue ist im ägyptischen Schema gehalten, das Gesicht hingegen stark individualisiert.

Die unterschiedlichen Bildniskonventionen der Ptolemäer kamen durch die unterschiedlichen Auftraggeber zustande. In der ägyptischen Religion fungierte der Pharao als Mittler zwischen Göttern und Menschen. Auch fremde Herrscher des Landes mussten diese Funktion in Nachfolge der ägyptischen Pharaonen und damit die Pharaonenrolle übernehmen. Statuen in ägyptischem Schema wurden von der ägyptischen Priesterschaft zu Ehren der Könige in ägyptischen Tempeln aufgestellt. Sie zeugen zunächst nicht von Akkulturationsbestrebungen der Herrscher selbst, sondern von der Notwendigkeit der Doppelrolle. In langfristiger Perspektive können solche Darstellungen allerdings auf Veränderungen des Verhältnisses der Herrscher makedonischer Herkunft zur lokalen Tradition befragt werden.