Hellenistische Bürger & Intellektuelle

Auch in hellenistischer Zeit blieben Städte mit griechischer Bevölkerung wichtige Zentren für die Entstehung und Aufstellung von Porträts. Doch ließen die Konventionen nun weitere Spielräume für individualisierende Gestaltung als noch im Athen des 4. Jahrhunderts v.Chr. Die Ausdifferenzierung von Rollenbildern lässt sich besonders gut an den Bildnissen von Philosophen beobachten: Sie hielten an der sonst aus der Mode geratenden Barttracht fest. Untereinander unterscheiden sich die Philosophen der strengeren, asketischen Schulen von denen, die sich mehr der Kontemplation zuwandten. Die Porträts der Stoiker geben eindrucksvolle Schilderungen körperlichen Verfalls, aufgewogen durch den Ausdruck von geistiger Schärfe und Konzentration. Dagegen sind die Bildnisse der Epikureer von vornehmer, ruhiger Würde geprägt.

Andere Arten geistiger Tätigkeit werden bei Bildnissen von politischen Rednern und Dichtern zum Ausdruck gebracht. Statuen von Politikern lassen erkennen, wie sich die Vorstellungen von vorbildlichen Bürgern der polis entwickelten. Dichterporträts zeigen eine große Vielfalt, entsprechend den unterschiedlichen Gattungen, die sie repräsentieren. Besonders ausdrucksstark sind fiktive Bildnisse von großen Dichern der Frühzeit.

Die Ehrenstatuen für Bürger hellenistischer Städte, die in großer Zahl in den Städten, ihren Nekropolen und Heiligtümern errichtet wurden, setzen das traditionelle Bürgerbild fort. Ihre Köpfe sind nur zurückhaltend individualisiert und mimisch bewegt. Manche dieser Bildnisse blieben ganz ohne individuelle Züge, ebenso wie viele Grab- und Weihreliefs.

Die Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten späthellenistischer Porträts groß und fordert einer Erklärung der unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten heraus. Dabei stellt sich die Frage nach dem Verhältnis hellenistischer Porträts zu gleichzeitigen Porträts in Rom: Trugen unterschiedliche Schwerpunkte der Porträtgestaltung in Griechenland und Rom zu dieser Vielfalt bei?