Gaius „Caligula“ (37 – 41 n. Chr.)

Der dritte regierende Kaiser der julisch-claudischen Dynastie trat im Alter von knapp 25 Jahren die Nachfolge des Tiberius an. Nach vierjähriger Regierungszeit wurde er 41 n. Chr. ermordet und es wurden, zum ersten Mal für einen Kaiser, seine Bildnisse gestürzt. Darum sind nach seinem Tod wohl keine Bildnisse mehr entstanden, im Gegenteil: viele Porträts des Caligula wurden in solche seines Nachfolgers Claudius umgearbeitet.

Die Göttinger Sammlung von Gipsabgüssen besitzt zwei Porträts des Kaisers Caligula, die trotz leichter Varianten in der Haaranordnung zum Haupttypus des Caligulaporträts gehören, der während seiner kurzen Regierungszeit, gleichzeitig mit einem selteneren Nebentypus, weit verbreitet war.

Der Porträtkopf in Malibu wurde im Kunsthandel erworben und soll aus Kleinasien stammen. Er zeigt deutlich die für Porträts des Caligula charakteristische Gabelung des Stirnhaares, die aus der Mitte leicht zum linken Auge hin verschoben ist. Die daran anschließenden Strähnen sind zu den Seiten gestrichen; an den Schläfen treffen sie auf Strähnen, die in Gegenrichtung zum Gesicht hin gebogen sind. Am Porträt in Malibu bildet sich so links eine Haarzange, rechts sogar zwei − eine mehr als an den anderen Porträts des Typus. Die Gesichtszüge sind ruhig und ebenmäßig, ihr Umriss längsoval mit prononciert vorstoßendem Kinn.  

Etwas breiter ist das Gesicht des Porträtkopfes in Worcester. Die ruhigen und straffen Gesichtszüge kontrastieren hier mit einer lebhaften Wendung des Kopfes nach links.   Bewegt sind auch die Haare wiedergegeben, sie sind vergleichsweise stark gelockt. Demzufolge ist das Stirnhaar zerzaust und legt sich nicht in ordentlich parallel geführten Strähnen nebeneinander. Die nach rechts verschobene Gabelung ist eine deutliche Variante des zugrundeliegenden Entwurfs. Ihre Position mag mit Blick auf die Wendung des Kopfes gewählt worden sein; doch wirkt sie ohnehin im Gewirr des Stirnhaars kaum als Zäsur.   Das Caligulaporträt in Worcester zeigt, wie weit der Spielraum für Varianten war, den sich antike Bildhauer bei ihrer Umsetzung der Vorgaben des Typus einräumten. Dennoch ist Caligula noch an charakteristischen Zügen zu erkennen, die kein anderes offizielles Porträt der Zeit hat.

Die Interpretation der Porträts des Caligula stand lange unter dem Eindruck der Schilderungen Suetons, der Caligula in Charakter und Aussehen als geradezu monströs und hässlich schildert. Doch weder die Blässe, noch die Kahlköpfigkeit und auch nicht die einstudiert schreckenerregende Mimik, die Sueton erwähnt, sind den Porträts abzulesen.

Alle Versuche der physiognomischen Deutung, die auf eine negative Charakterisierung abzielen, waren schon deshalb zum Scheitern verurteilt, weil am offiziellen Porträt eines Kaisers keinesfalls Züge geduldet worden wären, die seinem Ansehen in den Augen der Zeitgenossen abträglich gewesen wären.

Das Bildnis des Kaisers Gaius reiht sich vielmehr bruchlos und bewusst der Tradition seiner Vorgänger an, die von Augustus begründet worden war. Sein jugendliches Gesicht entspricht zwar einerseits seinem Alter, ist aber andererseits ebenso stilisiert wie das des Augustus und das des Tiberius; und auch die Anordnung der Haare mit Stirnfransen, die Haargabeln und -zangen bilden, folgt diesen Vorbildern.

Eine individuelle Note bekommen die Porträts des Caligula durch ihren Mund mit ausdrucksvoll geschwungenen Lippen und die im Nacken weit auf den Hals heruntergezogenen Haare. Dadurch wird die Familienähnlichkeit mit seinem Vater herausgestellt: Auch die Bildnisse des Germanicus zeigen diese Mundform, ebenso die langen Nackenhaare. Da Caligula zum Kandidaten für die Thronfolge geworden war, weil er ein Sohn des Germanicus war, lag es nahe, in seinem Bildnis auf diesen militärisch erfolgreichen und beliebten Prinzen anzuspielen. Denn vor seinem frühen Tod war Germanicus als Nachfolger des Tiberius designiert; seine Ehefrau und damit Caligulas Mutter, Agrippina maior, war eine Enkelin des Augustus. Mangels eigener Verdienste um den Staat konnte Caligula immerhin auf seine Abkunft hinweisen.

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