Vespasian (Titus Flavius Vespasianus) 69 – 79 n. Chr.

Vespasian wurde 9 n.Chr in Falacrinae bei Reate geboren, einem Ort in den Sabiner Bergen bei Rom. Sein Vater war Steuerpächter. Vespasian gelang als erstem seiner Familie der Aufstieg in den Senat; doch war die Familie nach senatorischen Maßstäben nicht wohlhabend. Er nahm als Feldherr an der Eroberung Britanniens durch Claudius teil. Auf einem Feldzug gegen das aufständische Judaea wurde er 69 n.Chr. vom Heer und dem Praefectus Aegypti zum Kaiser ausgerufen und bald vom Senat bestätigt. Vespasian kam aber erst im Oktober 70 n.Chr. nach Rom. 71 n.Chr. feierte er zusammen mit seinem Sohn, Mitregenten und Nachfolger Titus den Triumph über Judaea. Vespasians Regierungstätigkeit war von Bemühungen zur Konsolidierung des Staates und seiner Finanzen geprägt; seine Sparsamkeit wurde fast sprichwörtlich.

Außerdem vollzog Vespasian eine deutliche Abkehr von seinem Vorgänger Nero. Sichtbarer Beweis dafür war die Umgestaltung des Territoriums der Domus Aurea, der Villa, die Nero sich als Residenz im Stadtzentrum Roms gebaut hatte. Vespasian stellte das Gelände zu großen Teilen wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung, bebaut mit Bädern, einem neuen Forum und dem Kolosseum. Mit einem Programm des Friedens und der Prosperität versprach er, augusteische Verhältnisse wiederherzustellen.

Das ungeschönte, energisch blickende Porträt Vespasians ist wie das des Galba als Gegenprogramm zu dem des Nero zu verstehen. Die intendierte Gestalt seiner Porträts ist allerdings schwer zu fassen, weil seine Porträts zum großen Teil aus denen des Nero umgearbeitet sind, dessen Andenken gelöscht und dessen Bildnisse aus dem Verkehr gezogen worden waren. Solche Bildnisse mussten sich mit den Gegebenheiten des Vorgängerporträts arrangieren. Es gibt daher unterschiedliche Versionen des Porträts des Vespasian. Man diskutiert darüber, ob diese auf zwei Typen zurückzuführen oder divergierende Varianten eines Typus sind.

Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass der Haupttypus des Porträts des Vespasian zuverlässig durch das Porträt in Kopenhagen vertreten wird. Es zeigt ihn mit einem massigem Kopf und breitem Gesicht. Die Augen liegen unter tief herabhängenden faltigen Lidern, der Mund wirkt zahnlos, ist aber energisch zusammenpresst. Kurze Haarsträhnen an den Schläfen bedecken nur einen kleinen Teil des ansonsten kahlen Schädels.

Das Porträt Vespasians unterscheidet sich in allen wichtigen Punkten von denen der vorangegangenen julisch-claudischen Dynastie. Es wurde kein Versuch unternommen, die Gesichtszüge in irgendeiner Weise zu schönen. Selbst die Alterporträts des Claudius zeigen das Nachwirken klassizistischer Stilisierung, die in diesem Porträt ganz aufgegeben ist. Auch die Modefrisuren seiner Zeit haben am Kahlkopf des Vespasian keine Spuren hinterlassen, während seine Söhne Titus und Domitian elegant frisiert waren.

Nach fünfzig Jahren iulisch-claudischen Klassizismus und nach der Selbststilisierung Neros als Luxus- und Genussmensch sollte ein Porträt dieser Art sicher einen Herrscher propagieren, der für Tatkraft und realistische Politik stand. Darin entsprach das Porträt Vespasians dem des Galba. Dennoch werden die Zeitgenossen im Porträt Vespasians andere Botschaften gelesen haben als in den Altersporträts der republikanischen Patrizier. Die Gegenüberstellung mit einem zweiten Porträt des Licinius Crassus im Louvre (Konsul 70 v.Chr. und 50 v.Chr.), dessen Urbild in den Jahren vor der Mitte des 1. Jahrhunderts v.Chr. entstanden sein muss, verdeutlicht dies. Das Porträt des Crassus hat mit der gelängten Kopfform, den geraden Augenbrauen und der langen Nasenpartie fast klassische Proportionen. Die markanten Falten, die das Gesicht durchziehen, sind in eine starke mimische Bewegung integriert. Das Porträt des alten Mannes wirkt dadurch zugleich entschlossen und pathetisch bewegt. Die klassischen Proportionen und die ausgeformten Lippen erhalten ihm eine gewisse physische Ansehnlichkeit.

Das Porträt Vespasians zeigt dagegen auseinandergegangene Proportionen und deskriptiv kleinteilige Realismen. Die Falten schließen sich nicht zu großer mimischer Bewegung zusammen, sondern bleiben statisch, der zusammengepresste Mund verrät zurückgenommene Energie. Dabei hat der Mund keine schönen Lippen, sondern ist ganz offensichtlich zahnlos. Im Vergleich zum zerklüfteten aber adlernasigen Porträt Galbas kann man kaum umhin, im Porträt Vespasians etwas von seinem unpathetischen Pragmatismus vermittelt zu sehen. Charakteristisch ist die Überlieferung der bekannten Anekdote, nach der Vespasian zur Sanierung der Staatsfinanzen auch eine Steuer auf Urin in öffentlichen Bedürfnisanstalten einführte und die Einwände gegen den Gebrauch so gewonnenen Geldes mit den seither berühmten Worten ‚es stinkt nicht‘ (non olet) abwehrte.

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