Marc Aurel (Marcus Aurelius Antoninus) 161 – 180 n. Chr. & Lucius Verus (Lucius Aurelius Verus) 161 – 169 n. Chr.

Marc Aurel, 121 n.Chr. in Rom geboren, war schon von Kaiser Hadrian als einer der künftigen Herrscher ausersehen worden. Denn als Hadrian am 25. Februar 138 n.Chr. Antoninus Pius als seinen Nachfolger adoptierte, war die Bedingung, dass Antoninus Pius seinerseits den damals siebzehnjährigen Marc Aurel sowie den damals achtjährigen Lucius Verus, den Sohn des von Hadrian zunächst als Nachfolger auserkorenen Aelius Verus, an Sohnes statt annahm. Hadrian hatte wohl vor allem Lucius Verus im Auge, was daran zu erkennen ist, dass dieser damals mit der etwa gleichaltrigen Tochter des Antoninus Pius, Faustina minor, verlobt wurde. Sofort nach dem Tode Hadrians (10. Juli 138) wurde diese Regelung revidiert: Jetzt wurde der ältere Adoptivsohn, Marc Aurel, mit der Kaisertochter verlobt, offenbar in der Erwartung, dass auf diese Weise schneller mit Enkelkindern gerechnet werden konnte. Schon damals zeichnete sich ab, dass das System der Nachfolgeregelung durch Adoption zugunsten der biologischen Erbfolge ersetzt werden sollte (was mit Commodus dann ja auch erfolgte). Antoninus Pius beteiligte seinen Thronfolger 138-161 n.Chr. bereits an der Regierung.

Marc Aurel regierte von 161 bis 169 n.Chr. gemeinsam mit Lucius Verus, bis zu dessen Tod. 177 n.Chr. machte er seinen Sohn Commodus zum Mitregenten und designierten Nachfolger. In seiner Regierungszeit begannen − neben den immerwährenden Problemen mit den Parthern − die großen Germaneneinfälle an der Donaugrenze, Vorboten der Ereignisse des 3. Jahrhunderts n.Chr. Marc Aurel war fast während seiner gesamten Regierungszeit gezwungen, gegen diese Invasionen anzukämpfen. Privat war er hingegen, wie seine griechisch geschriebenen ‚Selbstbetrachtungen‘ zeigen, ein Anhänger der stoischen Philosophie und benutzte diese als ethisch-moralischen Anhalt. Sätze wie: „Sieh zu, dass du nicht verkaiserst“, zeigen , dass er einen skeptischen Abstand zu seiner Position pflegte. Zugleich aber machte er es sich zur Aufgabe, der Rolle in jeder Hinsicht gerecht zu werden.

Für Marc Aurel sind vier Bildnistypen geschaffen worden, davon zwei (oder sogar drei) während der Regierungszeit des Antoninus Pius. Das ergibt sich für die beiden ersten aus dem Vergleich mit den Münzbildnissen, für den dritten aus einem ins Jahr 160 n.Chr. datierten Relief in Ostia. Der vierte Typus ist sicher belegt auf einer Serie von historischen Reliefs im Konservatorenpalast in Rom, die nach einem im Jahr 176 n.Chr. gefeierten Triumph entstanden sind.

Der erste Bildnistypus wurde vermutlich aus Anlass der Adoption geschaffen und gibt den Kronprinzen als Siebzehnjährigen wieder. Die Physiognomie zeigt Merkmale, die auch an den späteren Bildnistypen und z.T. auch an denjenigen seines Sohnes Commodus zu beobachten sind: hochgewölbte Brauen, vorquellende Augen mit herabhängendem Oberlid und volle Lippen. Das Stirnhaar entspricht nicht mehr der bei jungen Männern seit der Zeit Neros vorherrschenden Modefrisur, es macht vielmehr den Eindruck natürlich gekräuselten Haares. Doch zeigen die eingerollten Lockenenden auf den Seiten und auf der Rückseite,

dass auch hier mit der Brennschere nachgeholfen worden ist. Dieser erste Bildnistypus wurde schon wenig später von einem zweiten abgelöst, der entweder aus Anlass der Verleihung des Caesartitels (139 n.Chr.) oder des ersten Konsulats im Jahre 140 n.Chr. (gemeinsam mit Antoninus Pius) geschaffen worden ist. Gleichwohl hat der erste Bildnistypus eine breite Wirkung ausgeübt: Das Bildnis eines schönen, wohlgebildeten und gesittet aussehenden Kronprinzen − nach so langer Zeit ohne gesicherter Nachfolgeregelung − war offenbar besonders geeignet, bei den römischen Bürgern die Bereitschaft zur Imitation auszulösen (ein Prozess, der sich bei dem Bildnis des jungen Caracalla, das nach dem Vorbild des 1. Bildnistypus des Marc Aurel geschaffen worden ist, nicht wiederholt hat).

Der zweite Bildnistypus Marc Aurels war bis 160 n.Chr. gültig. Die diesem Typus angehörigen Porträts bieten ein Musterbeispiel für das, was in der Forschung als ‚Typus-Neuauflage‘ bezeichnet wird. Durch schrittweise Veränderung von Details (Bart, Kopfform), aber unter Beibehaltung von wesentlichen Typusmerkmalen (Frisur, Physiognomie) wurden die Bildniskopien dem zunehmenden Alter des Dargestellten angepasst. Am leichtesten ist die Veränderung am Bart zu erkennen.  

Der Bildnistypus war zunächst bartlos konzipiert; nach dem Zeugnis der Münzen (denen sich die erhaltenen rundplastischen Bildnisse zuordnen lassen) nahm der Bart in Etappen zu: In den Jahren 140-144 n.Chr. bedeckte ein dünner, geritzter Bart die Oberlippe und die Wangen vor den Ohren. 144-147 n.Chr. kam ein Kinnbart hinzu, wie beim hier gezeigten Exemplar in Florenz. 147-151 n.Chr. bildeten Wangen- und Kinnbart eine Einheit. 152-160 n.Chr. erhielt der Bart plastische Substanz, so dass nun von einem Vollbart gesprochen werden kann. Da es durchaus möglich wäre, schon mit 19 Jahren einen Vollbart zu tragen, muss die Zunahme des Bartes an den Bildnissen als eine absichtsvolle, künstliche Maßnahme zur Verdeutlichung des Reifungsprozesses gewertet werden.

Die meisten Bildniskopien gehören den Phasen 3 und 4 an: Im Jahre 145 n.Chr. wurde Marc Aurel mit Faustina minor verheiratet, 147 n.Chr. wurde dem Paar das erste Kind (von 15 Kindern) geboren, was dem Kronprinzen die tribunicia potestas, die erste Stufe auf dem Wege zur vollen Teilhabe an der Regierungsmacht, einbrachte.

Der dritte Bildnistypus (Samtherrschaftstypus) setzt mit einem neuen Konzept die Entwicklung fort, die mit der letzten (5.) Stufe des 2. Typus erreicht war: der Bart ist noch länger und gibt dem Kaiser jetzt wirklich das Aussehen eines griechischen Philosophen, eine Wirkung, die sicher beabsichtigt war; die bewegten, dünnen, durch tiefe Bohrrillen getrennten Strähnen des Kopfhaares kontrastieren mit dem mimisch kaum bewegten Gesicht und scheinen andeuten zu sollen, was im Innern des Dargestellten vorgeht. Auch das Porträt der Reiterstatue auf dem Kapitolsplatz gehört diesem Typus an.

Als Gegenstück zu diesem Porträttypus entstand der Hauptporträttypus des Lucius Verus, hier eine Büste in Paris.

Die Tendenz zum Kontrast zwischen einem ruhigen Gesicht und flammendem Haar wird im 4. Typus noch deutlicher. Die aufgesträubten Haare über der Stirnmitte (anastole) hat die Forschung mit Jupiterfrisuren vergleichen wollen. Diese Darstellungsform würde ganz besonders im Gegensatz zu der von stoischem Gedankengut geprägten Haltung der Person Marc Aurel stehen, wie dies ja auch bereits für die ganze überfeinerte Form des Porträts mit dem künstlich gelockten Haar gilt. Offenbar tut sich hier ein Widerspruch auf zwischen einer der öffentlichen Funktion von Kaiserbildnissen verpflichteten Bildnisgestaltung und der dahinterstehenden Person, ein Widerspruch, der auch an den meisten Bildnissen des Commodus als Alleinherrscher zu beobachten ist.

Es ist der Forschung noch nicht gelungen herauszufinden, wann der 4. Bildnistypus des Marc Aurel entstanden ist, vielleicht 169 n.Chr., als die neunjährige Samtherrschaft mit Lucius Verus nach dessen vorzeitigem Tod endete, und Marc Aurel nun das Reich allein regierte, bis er seinen Sohn an der Regierung beteiligte.

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