Konstantin der Große (306−337 n.Chr.)

Konstantin wurde 272/3 oder 285 n.Chr. in Naissus als Sohn der Helena und des Constantius Chlorus geboren. Nach dem Tod des Constantius Chlorus wurde er 306 n.Chr. in York von den Truppen zum Caesar ausgerufen − gleichzeitig mit der Nominierung des Maxentius, des Sohnes des Maximianus Herculeus zum Caesar in Rom. Beide Regenten waren Quereinsteiger in das tetrarchische System und versuchten längere Zeit, sich dort mittels verschiedener Koalitionen zu etablieren. Konstantin heiratete aus diesem Grund 307 n.Chr. Fausta, eine Tochter des Maximianus Herculeus. 310 n.Chr. löste er sich aus dem tetrarchischen Verbund und dokumentierte dies durch eine eigene Legitimation:

Er behauptete, von Claudius Gothicus (268−270 n.Chr.) abzustammen. Auch die von den Tetrarchen neu betriebene Propagierung der älteren römischen Staatsgötter stellte er zurück und reklamierte bevorzugt die eigentlich führende heidnische Gottheit für sich, den Sonnengott.

In den folgenden Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft im römischen Reich besiegte Konstantin 312 n.Chr. Maxentius in Rom. Seit 313 n.Chr. teilte er sich die Herrschaft nur noch mit Licinius, teils einvernehmlich, teils als Gegner. 324 n.Chr. besiegte er Licinius und wurde alleiniger Herrscher des Reiches. Konstantin nahm in der Folge das hellenistische Königsdiadem als Insigne der nun deutlich zur Monarchie erklärten Herrschaft an. 326 n.Chr. beschloss er die Verlegung der Hauptstadt nach Byzantion, 330 n.Chr. weihte er die neue Hauptstadt Konstantinopel ein. Seit einer siegversprechenden Lichtvision vor der Schlacht gegen Maxentius an der Milvischen Brücke bei Rom im Jahr 312 n.Chr. förderte Konstantin massiv das Christentum. Bis 326 n.Chr. finden sich auf seinen Münzen jedoch noch die alten Götter. Auf dem Totenbett ließ der Kaiser sich 337 n.Chr. taufen.

Mit einer Ausnahme wiederholen alle erhaltenen Porträts Konstantins d.Gr. einen einzigen Typus, der am besten in dem marmornen Kolossalkopf im Konservatorenpalast in Rom überliefert ist. Nur ein kolossaler Bronzekopf im Konservatorenpalast in Rom könnte eine späte Neufassung des Bildnisses vertreten.

Der leicht überlebensgroße Kopf in Kopenhagen ist zwar durch die Beschädigung beeinträchtigt, gibt aber die Kennzeichen des Typus ausreichend wieder. Der Kaiser ist bartlos und trägt eine kurze Frisur aus breiten Haarsträhnen, die über der Stirn und an den Schläfen ins Gesicht hineingekämmt sind und über der Stirnmitte zusammenlaufen. Das Gesicht trägt die auch schon bei Constantius Chlorus zu beobachtenden Familienzüge: ein knochiges Gesicht mit vorstehenden Wangenknochen, starkem Kinn und Hakennase. Alterszüge oder Züge von Anstrengung sind in den leichten Kehlen angedeutet, die von den inneren Augenwinkeln und den Nasenflügeln ausgehen. Obwohl die Augenbrauen bei gut erhaltenen Exemplaren wie dem Kopf im Konservatorenpalast hochgeschwungen sind, sitzen über der Nasenwurzel zwei senkrechte Falten, die in tetrarchischer Tradition als Formeln für Anstrengung oder auch Einsatz zu deuten sind. Die Augen sind auffallend groß.

Die Überlieferung des Konstantinsporträts ist allerdings uneinheitlich, weil ausnahmslos alle Marmorporträts wiederverwendete ältere Porträts sind − aus der Zeit der Tetrarchie mit jeweils vier Herrschern müssen genügend Statuen vorhanden gewesen sein, die nach den Siegen Konstantins umgewidmet wurden. Die Form des Vorgängerporträts ist dabei manchmal noch dominant oder das neue Porträt ist durch das Wegarbeiten von viel Marmormasse eigenartig beschnitten.

Beim Kopf in Kopenhagen sieht man keine Reste eines Vorgängerporträts, aber die Indizien für eine Umarbeitung sind stark. Das Volumen ist offensichtlich zu einer schmalen Kastenform reduziert und das Kinn ist für ein Konstantinsporträt proportional zu klein. Zeichen für eine Umarbeitung sind aber vor allem die ganz ungewöhnlich tief im Kopf liegenden Ohren, deren Umrisse proportional zu groß sind und nur als Reste zurückgearbeiteter Ohren eines größeren Porträts verstanden werden können.

Der umgekehrte Effekt, dass das Porträt zu breit und zu massiv ist, ist bei dem zweiten Abguss eines Konstantinsporträts zu beobachten. Der weit überlebensgroße Kopf gehört zu einer Panzerstatue, die bis vor kurzem auf der Balustrade des Kapitolsplatzes in Rom stand. Die Statue trägt die Inschrift CONSTANTINUS AUG(ustus) und ist das Gegenstück einer gleichartigen Statue mit der Inschrift CONSTANTINUS CAES(ar), die sich auf den gleichnamigen Sohn Konstantins bezieht. Beide Statuen stammen aus den Konstantinsthermen auf dem Quirinal. Beide Kaiser trugen schon im ersten Zustand den kaiserlichen Eichenkranz.

Das Vorgängerporträt des Konstantin muss ein Mitglied der späteren Tetrarchie oder Licinius dargestellt haben. Das zeigt das Stoppelhaar auf dem Oberkopf, das in dem für diese Phase typischen Stil durch regelmäßig gesetzte Spitzmeißeleinschläge wiedergegeben ist. Das Strähnenhaar Konstantins ist dann nur sehr flüchtig vor dem Kranz an Stirn und Schläfen in eine nicht ausreichende Masse hineingeritzt worden. Die Gesichtsglieder sind bemerkenswert flach. Die Ansicht bei Streiflicht lässt erkennen, dass die Formen weniger herausgewölbt als durch Eintiefungen herausgearbeitet sind; man beachte die starken eingetieften Zonen unter den Augen und unter der Unterlippe. Die breite Gesamtform stammt vom vorausgehenden Tetrarchenporträt.

Die Porträts Konstantins wurden oft rückblickend auf seine gesamte Regierungszeit interpretiert. Doch der Haupttypus Konstantins ist zuerst auf Münzen seiner frühen Residenz Trier nachweisbar, die in den Jahren 307−10 n.Chr. entstanden sind, die genaue Datierung ist umstritten. Der Porträtentwurf entstand also in einer Zeit, als Konstantin noch nicht ahnen konnte, was einmal aus ihm werden würde.

Die Interpretationen, die das Porträt in Konstantins späteren Zeiten oder nach seinem Tod erfahren hat, können deshalb nicht auf den ursprünglichen Porträtentwurf übertragen werden. Bartlosigkeit war zu dessen Entstehungszeit eine Mode, die sich bei jüngeren Herrschern anbahnte. Die Expressivität der tetrarchischen Porträts, wie sie das Porträt des Constantius Chlorus vertritt, wurde dabei aufgegeben. Eine ähnliche, wenn auch zurückhaltendere Tendenz zu klassischeren Formen lässt sich auch am Porträt des Maxentius beobachten, Konstantins ebenfalls jungem Gegenpart.

Mit der völligen Bartlosigkeit, der vollen Haarfrisur und der griffigen weichen Wiedergabe der Gesichtshaut orientiert sich das Porträt Konstantins entschieden an alten Vorbildern − manches weist darauf hin, dass dabei Trajan im Vordergrund stand. Das Porträt setzt damit die Experimentierphasen vor der Tetrarchie und deren Suche nach neuen Images fort. Konstantins politischer Erfolg, die endgültige Umwandlung des Prinzipats in eine Monarchie und schließlich christlich geprägte Interpretationen der Rolle des Kaisers, etwa als die des Stellvertreters Christi auf Erden, haben das Porträt Konstantins später zum Repräsentanten aller dieser Vorstellungen werden lassen. Vor allem die Symbolik großer Augen als Zeichen göttlicher Inspiration wurde in diesen Ausdeutungen immer neu entwickelt.

Ein symptomatischer Vorgang solcher Ausdeutung ist die Interpretation der Münzbilder, auf denen Konstantin 325 n.Chr. das Herrscherdiadem als Abzeichen der Monarchie einführte, durch seinen späteren Biographen Eusebius. Auf den Münzen wurde dieses Bild Konstantins mit dem hellenistischen Herrscherdiadem insgesamt als hellenistisches Zitat gestaltet. Wie einst Alexander wirft Konstantin in diesen Münzbildern den Kopf in den Nacken. Nach den ersten Emissionen wurde das hellenistische Diadem zu einem juwelenbesetzten Band umgestaltet und die hellenistische Kopfhaltung wieder zurückgenommen. Eusebius hingegen las in diese Münzbilder hinein, der Kaiser habe sich dort als Betender darstellen lassen.

Die Deutung als charismatisches Porträt wiederum hat dazu geführt, dass nun ein spezifisch kaiserlicher Porträttypus entstanden war, der für die weiteren Kaiser verbindlich wurde, soweit sie sich in die Tradition Konstantins stellten. Usurpatoren hingegen ließen sich mit kurzgeschorenem Haar und mit Bärten darstellen. Privatpersonen rezipierten die Bildformen des Kaiserporträts nicht mehr.

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