Spätantike Kaiser

Eine Reihe spätantiker Kaiserporträts aus den auf Konstantins Regierungszeit folgenden Jahrhunderten zeigt, wie beständig das Konstantinsporträt bis ins 6. Jahrhundert n.Chr. als Vorbild wirkte. Generell trugen alle auf Konstantin folgenden Herrscher dessen Frisur. Viele, wenn auch nicht alle, sind bartlos dargestellt.

Manche der Porträts sind vollkommen frei von Alterszügen und Mimik, andere haben energisch zusammengezogene Brauen, aber sonst keine Zeichen von Alter, Mimik oder Anspannung. Vermutlich spielte bei diesen Darstellungen immer noch das Alter der Dargestellten eine gewisse Rolle. Dennoch heben sich die neuen Kaiserbilder durch ihre Gemeinsamkeiten deutlich von den Porträts der gleichzeitigen hohen Beamten ab, die sich durch wechselnde Frisurenmoden, eine durchgehende Vorliebe für Barttrachten und wirklichkeitsnahe Gesichtszüge auszeichnen.

Glückverheißende Zurufe begrüßten den Kaiser. (Aber) er zeigte sich so unbeweglich (immobilem), wie man ihn auch in seinen Provinzen sah. Sooft er durch eins der hohen Tore fuhr, bückte er sich, obwohl er von kleiner Statur war. Sonst richtete er wie mit gepanzertem Hals den leuchtenden Blick geradeaus und wandte das Gesicht weder nach rechts noch nach links. Wie eine menschliche Statue (figmentum hominis) schwankte er nicht, wenn ein Rad einen Stoß verursachte, und er spuckte nicht aus und rieb oder wischte sich nicht die Nase, und nie sah man ihn auch nur eine Hand bewegen. Diese Haltung nahm er bewusst ein, doch waren dies und anderes im diesseitigen Leben Zeichen einer überdurchschnittlichen Selbstbeherrschung, die, wie man zu verstehen gab, ihm allein zustand.

Ammianus Marcellinus 16,10,9 f.

An allen kaiserlichen Porträts sind die großen Augen ein wesentliches Kennzeichen, beim Porträt des Anastasius und der Ariadne in ganz eigenwilliger Weise gesteigert. Deren Symbolik ist seit hellenistischer Zeit immer wieder für Herrscherbilder aktiviert worden und wurde als Charisma gedeutet. Allerdings konnten ähnlich große Augen bei den gleichzeitigen Privatporträts auch lediglich als machtvolles Starren verstanden werden.   Die Unbewegtheit und Glätte der Gesichter spätantiker Kaiserporträts hatte einen positiven Ausdruckswert, der in einer Beschreibung des Verhaltens Constantius‘ II bei seinem Besuch Roms im Jahr 357 n.Chr. durch Ammianus Marcellinus deutlich wird. Auch der kaiserliche Blick spielt dabei eine Rolle. Ebenso sollten die glatten Züge die überlegene Unerschütterbarkeit des Herrschers durch die ihn umgebenden Ereignisse vor Augen führen.

Valentinian I oder Valens

Zwei Köpfe in Kopenhagen und im Konservatorenpalast in Rom stellen wegen der charakteristischen Gestaltung ihres Gesichts offenbar denselben Kaiser dar. Eine vollständigere Wiederholung des Typus befindet sich in Florenz. Aufgrund des Vergleichs mit den Münzbildern muss der dargestellte Kaiser Valentinian I oder sein Bruder Valens sein, die in den Jahren 364−375 n.Chr. gemeinsam herrschten, Valentinian I im Westen und Valens im Osten. Da der Kopf im Konservatorenpalast in Rom gefunden wurde und das Fragment in Kopenhagen in Rom erworben wurde, ist wahrscheinlich Valentinian I dargestellt.

Der dargestellte Kaiser hat leicht korpulente Züge, angedeutete, kaum sichtbare Falten in den Wangen und eine dramatisch gestaltete Augen- und Brauenzone: Unter den Augen liegen Tränensäcke (zumindest bei dem Exemplar in Kopenhagen); die Orbitale hängen außen schlaff über die Augenwinkel. Die Augenbrauen sind an der Nasenwurzel zusammengezogen und zwei tiefe senkrechte Falten gehen von ihnen aus. Nach außen hin sind die Brauen dagegen hoch geschwungen und ihre Bewegung wird durch begleitende schräge Kehlen verstärkt. Dennoch ist das Gesicht in seiner Symmetrie völlig starr; die Falten wirken als Chiffren strenger Mimik und Energie. In den Porträts gelang so die Verbindung von Elementen individueller Physiognomie mit einer Mimik der Energie, wie sie den erfolgreichen Militärs Valens und Valentinian ansteht, und der von Ammian beschriebenen erhabenen Distanziertheit.

In dem Fragment in Kopenhagen trägt der Kaiser das von Konstantin eingeführte Diadem. Es hat die spätere Form eines Reifs, dessen Ränder von Perlen eingefasst sind und auf dessen Mitte Edelsteine wechselnder Form aufgesetzt sind. Bei dem Kopf im Konservatorenpalast war der vordere Teil des Diadems eingesetzt − aus echtem Metall mit Edelsteinen oder Glaspaste?

Theodosius I, Arcadius oder Honorius

Ein lebensgroßes Porträt aus Rom ist eines der besten Beispiele für den Typus des spätantiken Kaisers in der Nachfolge Konstantins, der ein altersloses und völlig unbewegtes Gesicht hat. Der Kaiser trägt die Konstantinsfrisur in einer späten Form mit langen Fransen im Nacken, die jedoch am Hals anliegt und nicht so massiv und sperrig ausgeführt ist, wie bei dem Porträt des Anastasius aus der Zeit um 500 n.Chr. Sein Diadem entspricht formal dem des Valentinian oder Valens: ein dem Kopf anliegendes Band, oder eher ein Reif, der von Perlen gesäumter und mit Edelsteinen besetzt ist. In diesem Fall sind die Edelsteine nur eingeritzt und waren selbstverständlich einst farbig gekennzeichnet.

Die gestreckten Proportionen und die höchst subtile plastische Durchführung des Kopfes sind typisch für Arbeiten vom Ende des 4. Jahrhunderts n.Chr., aus der Zeit der sog. theodosianischen Renaissance, für die vor allem die Porträts auf der Basis des 390 n.Chr. errichteten Theodosiusobelisken in Konstantinopel Zeugnis sind. Bei der Suche nach dem Namen des Dargestellten hat man bisher vor allem an Arcadius und Honorius, die Söhne des Theodosius (379−395 n.Chr.) gedacht, die schon zu seinen Lebzeiten als Augusti Mitregenten waren und nach seinem Tod die beiden Reichshälften regierten, Arcadius im Osten (383/95−408 n.Chr.) und Honorius im Westen (393/95−423 n.Chr.). Bei diesen Deutungen hat man die Alterslosigkeit des Kaisers zumindest partiell als Jugendlichkeit gedeutet. Neuerdings ist jedoch in Aphrodisias die Zugehörigkeit eines umgearbeiteten Porträts in bestem theodisianischem Stil ohne Mimik und Alterszüge zu einer wiederverwendeten Togastatue und zu einer ebenfalls wieder verwendeten Basis nachgewiesen worden, die zeigt, dass das Monument Theodosius d.Gr. darstellt. Demnach wäre auch die Deutung des Berliner Kopfes auf Theodosius nicht ausgeschlossen.

Ein kolossaler Kopf im Kapitolinischen Museum in Rom steht ganz in der Tradition des Konstantinsporträts. Bemerkenswert sind das Fehlen jeglicher Alterszüge und jeglicher Mimik und die übergroßen Augen. Die Ikonographie und die Größe sprechen für die Deutung als Kaiserbildnis, obwohl das Herrscherdiadem nicht dargestellt ist. Aus stilistischen Gründen ist der Kopf den Jahren um 400 n.Chr. zugeschrieben worden. Er stellt dann vermutlich wie das Porträt in Berlin einen der jugendlichen Herrscher dieser Zeit dar, Arcadius oder Honorius. Doch vertritt er eine handwerkliche Tradition, die im Vergleich zur subtilen Gestaltungsweise der stilbildenden Konstantinopler Werkstätten härter und plakativer arbeitet.

Ariadne(?) und Anastasius(?)

Die beiden lebensgroßen Porträts stammen aus Rom und sind typologisch und handwerklich nahe verwandt: in der Gestaltung der fülligen, leicht ältlichen, dabei sensibel gestalteten Gesichter und den riesigen kugelförmigen Augen mit schweren Lidern und einer ausgehöhlten Iris, die einst mit farbiger Paste gefüllt war.

Das Frauenporträt trägt über dem Haar eine Haube, die mit perlengesäumten Bändern überzogen ist. Um die breiteste Stelle der Haube läuft ein breites Band, das außerdem mit viereckigen Edelsteinen besetzt ist, deren Farbe durch farbige Paste angegeben war. Perlengesäumte Bänder kreuzen sich auf dem Oberkopf und laufen vor dem Diadem zum Rand der Haube hin.

Zwei eng verwandte Frauenköpfe aus Rom im Museo Gregoriano Profano des Vatikan und im Louvre tragen leicht variierende Haubenformen, die von vorn gesehen oben in zwei niedere Spitzen auslaufen. Höchstwahrscheinlich stellen alle dieselbe Kaiserin dar.

Die Münzbilder der Kaiserinnen und Kaiser dieser Zeit sind so stereotyp, dass sie in der Regel für die Benennungen und Datierungen von Kaiserbildnissen kaum ergiebig sind. Einen Anhaltspunkt für die Datierung dieser Kaiserinnenporträts bildet die perlen- und juwelenbesetzte Haube. Hauben in ähnlicher Form wurden seit dem Ende des 4. Jahrhunderts n.Chr. getragen. Doch erst die Büsten der Kaiserin Ariadne (476−515 n.Chr.) auf datierten Konsulardiptychen des frühen 6. Jahrhunderts n.Chr. zeigen dieselbe Haube mit dem Diadem und den perlengesäumten Bändern. Wie lange vor dieser Zeit diese Art der Verbindung von Haube, Diadem und weiterem Schmuck aufkam, ist unbekannt.

Gehören die Porträts den Jahren um oder nach 500 n.Chr. an, kommen nur zwei Herrscherinnen in Frage, die in den Porträts dargestellt sein könnten: Ariadne, die Tochter des Kaisers Leo I, die von 476 bis 491 n.Chr. gemeinsam mit ihrem Mann Zeno regierte und danach an der Einsetzung des Anastasius (491−518 n.Chr.) beteiligt war, den sie heiratete. Sie selbst starb 515 n.Chr. Ariadne, Zeno und Anastasius waren Kaiser des Ostreiches. Im Westen hatte seit den frühen achtziger Jahren des 5. Jahrhunderts n.Chr. Theoderich die Macht, seit 597 erkannte ihn Anstasius als seinen Vertreter im Westen mit dem Königstitel (rex) an. Dabei hatte er nicht die vollen Rechte eines Kaisers. Nach seinem Tod 526 n.Chr. übernahm seine Tochter Amalaswintha die Regierung. Auch sie hat ein Teil der Forschung in den drei Porträts sehen wollen. Amalaswintha wird jedoch auf Konsulardiptychen mit einer juwelenbedeckten germanischen Mütze dargestellt und kann deshalb in den drei Köpfen nicht gemeint sein. Im Ausschlussverfahren bietet es sich an, in den Porträts die Ostkaiserin Ariadne zu erkennen, die im Westen und auch von Theoderich als die gültige Kaiserin anerkannt war. Dass mehrere Porträts dieser Kaiserin sich erhalten haben, mag mit einer verstärkten Produktion zusammenhängen, die durch die relative Blütezeit unter Theoderich gegeben war.

Der Kaiserkopf in Kopenhagen trägt die Frisur Konstantins in einer üppigeren Version und hat bauschiges und langes Haar im Nacken, wie es zwar schon Konstantin in seinen späteren Jahren trug, in der üppigen Form aber besonders an den Kaiserbildern seit der Mitte des 5. Jahrhunderts n.Chr. zu sehen ist. Ein eingeritzter scharf begrenzter Bart bedeckt einen Teil der Wangen. Das juwelenbesetzte Diadem ist voluminöser und starrer als bei den Kaiserporträts des 4. Jahrhunderts n.Chr. An den nicht zu stark bestoßenen Teilen steht sein oberer Rand vom Kopf ab. Über dem Mitteljuwel sitzt ein Aufsatz von drei tropfenförmigen Perlen. Das Porträt hat eine nicht ganz getreue, aber weitgehend übereinstimmende Replik im Museo dell’Alto Medioevo in Rom, das ebenfalls in Rom gefunden wurde. Dem Porträt der Ariadne nahe stehend, könnte der Typus durchaus ein Porträt des Theoderich sein, doch ist zweifelhaft, ob er das Herrscherdiadem getragen hat. Deshalb geht die Forschung davon aus, dass der Ostkaiser Anastasius dargestellt ist. Trotz des kurzgeschnittenen Bartes und trotz der neuartigen suggestiven Augendarstellung bezeugt er vor allem in der Frisur und den zurückhaltenden Angaben von Alter und Mimik das lange Weiterleben des Konstantinstypus.

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 Spätantike Kaiserporträts
Zum 6. Jahrhundert n. Chr.