Naturidylle in der Großstadt 2

Ländlicher Lebensgenuß: Das Bild des Hirten in hellenistischer Zeit

Landleben und Natur sind für die klassische griechische Dichtung ohne Bedeutung. Erst die hellenistische Hirtendichtung (Bukolik) erhebt die Belange der niederen Bevölkerung zum Thema der hohen Literatur. Dabei versteht sie die Landschaft lediglich als Szenerie und erfreut sich an den Schwierigkeiten und Banalitäten des einfachen Landlebens.

Diese realistisch-genrehaften Schilderungen sind jedoch frei von idealisierten Vorstellungen ländlicher Natürlichkeit. Die frühesten Skulpturen, die Landbewohner zeigen, stammen wie die bukolische Dichtung selbst wohl erst aus dem späten 3. Jh. v. Chr., aus einer Zeit also, in der auch die bildende Kunst gesellschaftlichen Randgruppen ein besonderes Interesse entgegenbringt.

Das beliebteste Sujet sind Fischer, die ihren Fang in einem Eimer mit sich führen. Daneben kommen auch greise Landleute in hastigem Schritt zur Darstellung, die einen Korb mit Blüten oder ein Tier tragen. Die hellenistischen Figuren bringen durch das zottelige Fellgewand, die arbeitsame Bewegung und die schonungslose Darstellung des Alters die Härte und Einfachheit des Landlebens zum Ausdruck und verklären damit das Hirtenleben weniger als spätere Epochen.

Obwohl wir die Aufstellungsorte der hellenistischen Hirtenskulpturen nicht kennen, ist mit guten Argumenten vermutet worden, dass sie sich als Weihungen in wahrscheinlich ländlichen Heiligtümern befanden. Die mitgeführten Tiere sind dann als Weihgeschenke bzw. Opfertiere zu verstehen. Manche sind an Eigenheiten der Kleidung als Anhänger des Dionysos auf dem Weg zu einem Fest im Heiligtum zu erkennen.

Es muß allerdings betont werden, daß die ärmlichen Landleute nicht die Auftraggeber der kostspieligen Skulpturen gewesen sein können. Vielmehr handelt es sich um typisierende Darstellungen von Landbewohnern, die als Teilnehmer am Opfermahl vielleicht die im Heiligtum stattfindenden Feste illustrieren sollten.

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